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Anna Kaiser ist nach ihrem Millionen-Exit im Sommermodus. Vor wenigen Monaten erst hat die 38-Jährige ihr Start-up Tandemploy verkauft und hilft nun der neuen Firma bei der Integration. Statt im hippen Berlin hat sie es sich aber in einer kleinen Stadt in Frankreich gemütlich gemacht, wo sie mit Freunden zusammen ein Haus gekauft hat. Die Wände des Steinhauses leuchten gelblich, während Kaiser im Sommerkleid in die Kamera lächelt. Es kann losgehen.
Ich habe mir zuletzt tatsächlich einen Privatkoch geleistet, für mich, meine Familie und Freunde hier in Frankreich. Ich kann überhaupt nicht kochen und habe auch keinen Spaß daran und mein großes Lebensziel war es immer, einen eigenen Koch zu haben, damit ich das leidige Thema los bin. Das ist auf Dauer vielleicht zu teuer, aber für fünf Wochen war es einfach nur traumhaft, sich mit 3-Gänge-Menüs bekochen zu lassen.
Wir haben uns vor einiger Zeit mit Freunden hier ein Haus gekauft, in dem es auch Glasfaserkabel gibt. Wir verbringen seither die Sommer immer in Frankreich, um dem hektischen Berlin ein wenig zu entfliehen. Gerade in Zeiten der Pandemie, als ich nicht persönlich bei Terminen auftauchen musste, war das großartig, da haben wir hier viel Zeit verbracht. Es ist einfach schön, weil hier viele Künstler und Kreative leben, aber ohne die Hektik aus Berlin.
Als Kinder sind wir fast gar nicht mit den Eltern in Urlaub gefahren. Meine Eltern hatten einen Bauernhof mit vielen Feldern und einer Pferdezucht und da war es unmöglich, länger wegzufahren. Gerade im Sommer brauchen die Felder viel Pflege. Wir waren dann immer mal wieder ein paar Tage weg oder übers Wochenende, aber sonst hatten wir gar keine Ferienkultur mit meinen Eltern. Wir durften aber wegfahren, mit Freunden, mit Verwandten, zu Sprachkursen. Das haben meine Eltern uns immer ermöglicht, während sie zu Hause geblieben sind.
Ich habe extrem viel geholfen, das gehört in einer Landwirtschaftsfamilie einfach dazu. Ich habe dort auch mein erstes Geld verdient, indem ich Pferdeställe ausgemistet habe. Damals habe ich darüber geschimpft, wenn alle Teenager-Freunde in weit entfernte Länder gefahren sind und wir in der Hitze auf den Feldern gearbeitet haben. Ich habe geflucht und mich über mein schreckliches Leben und Dasein beklagt, dass ich fristen musste. Das ist natürlich lustig, weil ich die Zeit heute als total schön empfinde und glaube, dass ich viel gelernt habe.
Das Wichtigste habe ich gelernt, als ich noch klein war: Äußere Umstände lassen sich nicht beeinflussen und man kann nur gekonnt darauf reagieren. Wetter, Stürme, eine Krankheit unter den Tieren: Diese Abhängigkeiten habe ich früh kennengelernt. Mir war aber auch schnell bewusst, dass ich viel selbst in der Hand habe. Ob die Pflanzen gut gedeihen, kann man sehr wohl beeinflussen, wenn man sie jeden Tag pflegt und dort Arbeit reinsteckt. Da kommt nichts von allein. Und natürlich: Harte Arbeit zahlt sich aus.
Ich habe immer versucht meinen Eltern zu erklären, was ich mache. Schon während des Studiums habe ich immer wieder gegründet. Aber wenn ein Freund meinen Vater fragte, was ich denn mache, sagte der nur: “Rufst du am besten selber an, ich weiß gar nicht, ob das noch aktuell ist, was sie vor zwei Wochen erzählt hat.” Meine Eltern haben mich aber nichtsdestotrotz immer unterstützt und mir alle Freiheiten gelassen, ganz ohne Vorverurteilung. Das war natürlich eine große Hilfe.
Es gab nie die Verpflichtung, dass wir Kinder den Hof übernehmen sollten. Am Ende ist es aber wie aus dem Lehrbuch: Mein älterer Bruder hat den Betrieb übernommen und daraus etwas ganz Eigenes und Schönes gemacht.
Meine Eltern haben das ganz transparent gemacht und erklärt, wie die finanzielle Situation ist. Wenn wir uns etwas leisten konnten, weil die aktuelle Saison schlecht lief oder wir vielleicht für ein größeres Investment sparen mussten, haben sie uns das genau so erklärt. Sie haben mir auch früh gezeigt, welche Maschinen wir haben und was die kosten, damit ich ein Gefühl bekomme, wie lange ich arbeiten muss, um eine neue zu kaufen. Das war im Nachhinein goldrichtig, weil ich so viel über den Wert von Geld lernen durfte.
Extrem schwierig. Wir haben zum Glück früh das Exist-Stipendium bekommen und sind danach auch in das ein oder andere Förderprogramm gerutscht. Aber alle wollten immer, dass wir tolle Pitchdecks bauen mit irgendwelchen Business-Plänen, die sich sowieso jede Woche ändern. Denn die Investoren waren meist Ex-McKinsey-Männer, die irgendwelche Hockeystick-Grafiken gewöhnt waren. Wir wollten mehr über die großen Visionen sprechen und sind dann unseren eigenen Weg gegangen.
Wir haben uns die Liste der 500 reichsten Deutschen aus dem Manager Magazin geschnappt und haben versucht herauszufinden, wo die Menschen wohnen. Manchmal haben wir das aus den Beschreibungen in den Interviews gezogen, manchmal über Google Maps oder Streetview. Am Ende haben wir an alle Adressen handschriftliche Briefe mit unserer Idee geschickt und nach Geld gefragt. Ich dachte nicht, dass das klappt, aber am Ende haben wir richtig viele Antworten bekommen. Viele haben uns sehr höflich und nett abgesagt, aber einige waren auch interessiert. So haben wir in weniger als drei Monaten unsere ersten Millionen-Finanzierung eingesammelt. Später haben wir uns bei einem HR-Award beworben und keinen Businessplan eingereicht. Stattdessen habe ich geschrieben, warum wir den Preis trotzdem verdienen. Wir haben ihn nicht bekommen, aber ein Jurymitglied wurde auf uns aufmerksam und so kamen später wieder drei Millionen Euro zusammen, unter anderem von Ex-SAP-CFO Werner Brandt. Wir waren also immer sehr kreativ.
Wir wollten mehr Diversität in unserem Gesellschafterkreis. Also haben wir eine All-Female-Runde gemacht. Tolle Frauen wie Angie Gifford von Facebook oder Elke Eller, ex CHRO von TUI haben nochmal investiert. Das ging natürlich nur, weil wir das Netzwerk mittlerweile hatten. Ich habe daraufhin encourageventures, ein großes Investorinnen-Netzwerk, mitgegründet, um die Sichtbarkeit von Frauen in der Startup-Welt zu erhöhen und mehr Vielfalt in die Gründungs- und Investor:innenlandschaft bringen!
Auf keinen Fall. Mich jetzt als Künstlerin in Frankreich zurückzuziehen, das wäre nicht mein Ding. Ich habe noch viel zu viele Ideen.
Zur Person: Anna Kaiser, 38, hat das Start-up Tandemploy aufgebaut und Anfang 2022 verkauft. Sie ist dort weiterhin als Geschäftsführerin tätig und ist gleichzeitig als Vice President bei Phenom tätig, die die Firma gekauft haben. Sie berät Akteurinnen und Akteure in Politik und Wirtschaft zu Themen wie Digitalisierung, Female Leadership, Tech und New Work, etwa als Mitglied des Beirats "Junge Digitale Wirtschaft" des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Gründungsmitglied des Ethikbeirat HR-Tech, Vorsitzende des Ressorts "Zukunft der Arbeit" beim Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V oder als Mitglied des Rats der Arbeitswelt beim BMAS.“
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Anna Kaiser hat mit Tandemploy eines der erfolgreichsten deutschen Start-ups aufgebaut und verkauft. Im Interview spricht sie über ihre Kindheit auf dem Bauernhof, wie sie einmal Briefe an die reichsten Deutschen schickte – und was all das mit ihrem Unternehmen zu tun hat.
Anna Kaiser ist nach ihrem Millionen-Exit im Sommermodus. Vor wenigen Monaten erst hat die 38-Jährige ihr Start-up Tandemploy verkauft und hilft nun der neuen Firma bei der Integration. Statt im hippen Berlin hat sie es sich aber in einer kleinen Stadt in Frankreich gemütlich gemacht, wo sie mit Freunden zusammen ein Haus gekauft hat. Die Wände des Steinhauses leuchten gelblich, während Kaiser im Sommerkleid in die Kamera lächelt. Es kann losgehen.
Ich habe mir zuletzt tatsächlich einen Privatkoch geleistet, für mich, meine Familie und Freunde hier in Frankreich. Ich kann überhaupt nicht kochen und habe auch keinen Spaß daran und mein großes Lebensziel war es immer, einen eigenen Koch zu haben, damit ich das leidige Thema los bin. Das ist auf Dauer vielleicht zu teuer, aber für fünf Wochen war es einfach nur traumhaft, sich mit 3-Gänge-Menüs bekochen zu lassen.
Wir haben uns vor einiger Zeit mit Freunden hier ein Haus gekauft, in dem es auch Glasfaserkabel gibt. Wir verbringen seither die Sommer immer in Frankreich, um dem hektischen Berlin ein wenig zu entfliehen. Gerade in Zeiten der Pandemie, als ich nicht persönlich bei Terminen auftauchen musste, war das großartig, da haben wir hier viel Zeit verbracht. Es ist einfach schön, weil hier viele Künstler und Kreative leben, aber ohne die Hektik aus Berlin.
Als Kinder sind wir fast gar nicht mit den Eltern in Urlaub gefahren. Meine Eltern hatten einen Bauernhof mit vielen Feldern und einer Pferdezucht und da war es unmöglich, länger wegzufahren. Gerade im Sommer brauchen die Felder viel Pflege. Wir waren dann immer mal wieder ein paar Tage weg oder übers Wochenende, aber sonst hatten wir gar keine Ferienkultur mit meinen Eltern. Wir durften aber wegfahren, mit Freunden, mit Verwandten, zu Sprachkursen. Das haben meine Eltern uns immer ermöglicht, während sie zu Hause geblieben sind.
Ich habe extrem viel geholfen, das gehört in einer Landwirtschaftsfamilie einfach dazu. Ich habe dort auch mein erstes Geld verdient, indem ich Pferdeställe ausgemistet habe. Damals habe ich darüber geschimpft, wenn alle Teenager-Freunde in weit entfernte Länder gefahren sind und wir in der Hitze auf den Feldern gearbeitet haben. Ich habe geflucht und mich über mein schreckliches Leben und Dasein beklagt, dass ich fristen musste. Das ist natürlich lustig, weil ich die Zeit heute als total schön empfinde und glaube, dass ich viel gelernt habe.
Das Wichtigste habe ich gelernt, als ich noch klein war: Äußere Umstände lassen sich nicht beeinflussen und man kann nur gekonnt darauf reagieren. Wetter, Stürme, eine Krankheit unter den Tieren: Diese Abhängigkeiten habe ich früh kennengelernt. Mir war aber auch schnell bewusst, dass ich viel selbst in der Hand habe. Ob die Pflanzen gut gedeihen, kann man sehr wohl beeinflussen, wenn man sie jeden Tag pflegt und dort Arbeit reinsteckt. Da kommt nichts von allein. Und natürlich: Harte Arbeit zahlt sich aus.
Ich habe immer versucht meinen Eltern zu erklären, was ich mache. Schon während des Studiums habe ich immer wieder gegründet. Aber wenn ein Freund meinen Vater fragte, was ich denn mache, sagte der nur: “Rufst du am besten selber an, ich weiß gar nicht, ob das noch aktuell ist, was sie vor zwei Wochen erzählt hat.” Meine Eltern haben mich aber nichtsdestotrotz immer unterstützt und mir alle Freiheiten gelassen, ganz ohne Vorverurteilung. Das war natürlich eine große Hilfe.
Es gab nie die Verpflichtung, dass wir Kinder den Hof übernehmen sollten. Am Ende ist es aber wie aus dem Lehrbuch: Mein älterer Bruder hat den Betrieb übernommen und daraus etwas ganz Eigenes und Schönes gemacht.
Meine Eltern haben das ganz transparent gemacht und erklärt, wie die finanzielle Situation ist. Wenn wir uns etwas leisten konnten, weil die aktuelle Saison schlecht lief oder wir vielleicht für ein größeres Investment sparen mussten, haben sie uns das genau so erklärt. Sie haben mir auch früh gezeigt, welche Maschinen wir haben und was die kosten, damit ich ein Gefühl bekomme, wie lange ich arbeiten muss, um eine neue zu kaufen. Das war im Nachhinein goldrichtig, weil ich so viel über den Wert von Geld lernen durfte.
Extrem schwierig. Wir haben zum Glück früh das Exist-Stipendium bekommen und sind danach auch in das ein oder andere Förderprogramm gerutscht. Aber alle wollten immer, dass wir tolle Pitchdecks bauen mit irgendwelchen Business-Plänen, die sich sowieso jede Woche ändern. Denn die Investoren waren meist Ex-McKinsey-Männer, die irgendwelche Hockeystick-Grafiken gewöhnt waren. Wir wollten mehr über die großen Visionen sprechen und sind dann unseren eigenen Weg gegangen.
Wir haben uns die Liste der 500 reichsten Deutschen aus dem Manager Magazin geschnappt und haben versucht herauszufinden, wo die Menschen wohnen. Manchmal haben wir das aus den Beschreibungen in den Interviews gezogen, manchmal über Google Maps oder Streetview. Am Ende haben wir an alle Adressen handschriftliche Briefe mit unserer Idee geschickt und nach Geld gefragt. Ich dachte nicht, dass das klappt, aber am Ende haben wir richtig viele Antworten bekommen. Viele haben uns sehr höflich und nett abgesagt, aber einige waren auch interessiert. So haben wir in weniger als drei Monaten unsere ersten Millionen-Finanzierung eingesammelt. Später haben wir uns bei einem HR-Award beworben und keinen Businessplan eingereicht. Stattdessen habe ich geschrieben, warum wir den Preis trotzdem verdienen. Wir haben ihn nicht bekommen, aber ein Jurymitglied wurde auf uns aufmerksam und so kamen später wieder drei Millionen Euro zusammen, unter anderem von Ex-SAP-CFO Werner Brandt. Wir waren also immer sehr kreativ.
Wir wollten mehr Diversität in unserem Gesellschafterkreis. Also haben wir eine All-Female-Runde gemacht. Tolle Frauen wie Angie Gifford von Facebook oder Elke Eller, ex CHRO von TUI haben nochmal investiert. Das ging natürlich nur, weil wir das Netzwerk mittlerweile hatten. Ich habe daraufhin encourageventures, ein großes Investorinnen-Netzwerk, mitgegründet, um die Sichtbarkeit von Frauen in der Startup-Welt zu erhöhen und mehr Vielfalt in die Gründungs- und Investor:innenlandschaft bringen!
Auf keinen Fall. Mich jetzt als Künstlerin in Frankreich zurückzuziehen, das wäre nicht mein Ding. Ich habe noch viel zu viele Ideen.
Zur Person: Anna Kaiser, 38, hat das Start-up Tandemploy aufgebaut und Anfang 2022 verkauft. Sie ist dort weiterhin als Geschäftsführerin tätig und ist gleichzeitig als Vice President bei Phenom tätig, die die Firma gekauft haben. Sie berät Akteurinnen und Akteure in Politik und Wirtschaft zu Themen wie Digitalisierung, Female Leadership, Tech und New Work, etwa als Mitglied des Beirats "Junge Digitale Wirtschaft" des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Gründungsmitglied des Ethikbeirat HR-Tech, Vorsitzende des Ressorts "Zukunft der Arbeit" beim Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V oder als Mitglied des Rats der Arbeitswelt beim BMAS.“
Über den Autor
Nils Wischmeyer
Nils Wischmeyer schreibt über Finanzmärkte, Geldanlage, Banken, Bankenregulierung und Wirtschaftskriminalität.