Interviews
Interviews
Podcast
Catharina Bruns ist ernüchtert. Nach der Bundestagswahl versprach die Ampel-Koalition, die Rahmenbedingungen für Selbstständige zu verbessern. Doch nun, mitten in der Krise, fühlen sich viele Selbstständige im Stich gelassen. Der Grund laut Catharina Bruns: Deutschland ist ein Angestelltenland, Selbstständigkeit wird nicht verstanden. Deshalb kämpft die Unternehmerin immer lauter für das Recht aufs Arbeiten fernab der Festanstellung – und erklärt zugleich, warum der Montag ihr Lieblingstag ist.
Zuletzt eher normale Dinge, die ich für meinen Alltag benötige. Aber ich weiß, was ich mir als nächstes leisten werde: einen neuen Laptop. Bei meinem alten Laptop ist die Tastatur kaputt.
Mehr schlecht als recht. Oft tippe ich Buchstaben doppelt ein und das „e“ ist mittlerweile herausgebrochen. Falls ich also Rechtschreibfehler in meinen Texten habe, liegt das nur zu 50 Prozent an mir.
Nein, das bereue ich nie, ich bin gerne selbstständig. Als Angestellte verfüge ich nicht frei über meine Zeit, habe keinen Raum, eigene Projekte zu starten und mich so zu entwickeln, wie ich es will. Ich brauche keinen Arbeitgeber, keinen Chef, der entscheidet, ob ich an die Arbeit gehen darf. Ich arbeite am liebsten ohne Anleitung.
Nach dem Studium war ich zunächst in einem normalen Angestelltenjob. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich mich unwohl fühlte. Ich hatte den Eindruck, mir sei die ganze Woche geklaut worden. Ständig habe ich Aufgaben abgearbeitet, ohne persönlich weiterzukommen oder etwas Spannendes dazuzulernen. Dann habe ich begonnen, ernsthaft zu überlegen, was Arbeit für mich bedeutet und fing an, darüber zu bloggen. Mit dreißig Jahren habe ich schließlich gekündigt, weil ich gemerkt habe, dass ich einfach keine gute Angestellte bin.
Mein Blog bekam mehr und mehr Leser – und einige fanden meine Inspiration so gut, dass sie mich gefragt haben, ob es nicht auch Poster mit meinen Statements darauf gibt. Also wurde ich mehr und mehr zu so einer Art „Ein-Frau-Designstudio.“ Mein damaliger Blog „workisnotajob“ bestand aus Typo-Design Inspiration, also diese Grafiken, die eine Botschaft auf Poster, Tassen oder Notizbücher brachten – heute ist das ganze Internet voll davon, damals war das noch nicht so.
Ich habe 2012 „supercraft“ gegründet, gemeinsam mit Sophie Pester, die das Unternehmen mittlerweile allein leitet. Im Prinzip verkauft „supercraft“ kreative Zeit. Es handelt sich um ein Abomodell für Bastelboxen. Ähnlich wie bei Kochboxen sind bereits die passenden Materialien und eine Anleitung enthalten, aber der Kunde muss eigenständig tätig werden. Ich feiere Menschen, die Verantwortung übernehmen und selbstständig arbeiten wollen. Deshalb habe ich 2017 auch „Happy New Monday“ gegründet, um Gründerinnen und Selbstständige bei der Verwirklichung ihrer Ideen kreativ zu begleiten.
Mich nervt diese inflationäre „Hoch die Hände, Wochenende“-Stimmung, die oft schon freitags im Radio verbreitet wird. Als würden sich alle Menschen nur durch die Woche schleppen und auf das Wochenende hinarbeiten. Das zeigt aber, welche Arbeitskultur offenbar in diesem Land herrscht. Ich mag Montage sogar gerne, da bin ich erholt und die Woche ist noch ganz frisch und voller Möglichkeiten.
Ich bin auch auf meine Arbeit angewiesen. Und natürlich ist das ein Stück weit auch ein Privileg, das ich mir erarbeitet habe. Aber in erster Linie ist es eine Entscheidung. Anders als früher, als wirklich nur reiche Erben gründen konnten oder noch eine eigene Fabrik gebraucht wurde, steht die Selbstständigkeit heute mehr Menschen offen. Bei vielen Geschäftsideen brauchen Gründer nicht viel Kapital, sondern vor allem ein gutes Konzept. Dank der Digitalisierung und des Internets, ist Unternehmertum heute ganz anders möglich.
Diese Formulierung – „den Sprung in die Selbstständigkeit wagen“ – finde ich ganz schlimm. Als wäre Selbstständigkeit der Sonderweg und die Festanstellung die Normalität. Doch kein Mensch wird dazu geboren, Angestellter zu werden. Im Gegenteil: Gerade als Kind werden wir noch dazu ermutigt, immer selbstständiger zu werden und zu denken. Wir alle wollten früher Dinge bauen, etwas erschaffen, frei sein. Und plötzlich, im Beruf, ändert sich dieses Selbstvertrauen. Das hat auch viel damit zu tun, dass Selbstständigkeit in Deutschland keinen Stellenwert mehr hat.
Zum einen gibt es viele falsche Bilder vom Gründen. Entweder, es wird mit altem Unternehmertum, also reichen Industriellen, verwechselt oder auf hippe Start-up-Boys reduziert. Selbstständigkeit bedeutet aber Vielfalt. Die Mehrheit der Selbstständigen sind Solo-Unternehmer, davon viele Frauen, und kleine Unternehmen. Es gibt tausend Arten zu gründen. Aber Selbstständigkeit ist zum Beispiel im gesetzlichen Sozialversicherungssystem nicht vorgesehen. Die Beitragsbemessung der gesetzlichen Krankenversicherung ist für Selbstständige nicht fair, es wird beispielsweise auch das Einkommen aus Mieteinnahmen oder Geldanlage mit einberechnet. Selbstständige haben zu oft das Gefühl, alles in Deutschland arbeitet gegen sie, obwohl sie der Gesellschaft doch ein Angebot machen und eigenständig sein möchten. Das zeigt auch ein besonders heftiges Beispiel, auf das ich letztens gestoßen bin.
Ein Jobcenter in Kaiserslautern hatte eine Jobausschreibung veröffentlicht, gesucht wurde ein Coach für eine Maßnahme, die sich an arbeitssuchende Menschen mit Migrationshintergrund richtet. Der Coach sollte, so der Tenor der Ausschreibung, den Teilnehmern vermitteln, dass Selbstständigkeit eine schlechte Entscheidung sei – der Kurs richtete sich wohl bewusst an Gründungswillige. Das ist doch schrecklich: Da kommt jemand nach Deutschland, hat vielleicht eine gute Idee, will gründen und bekommt das ausgeredet. Und selbst, wenn die Idee schlecht wäre: Auch der schlechteste Unternehmer der Welt hat einen Anspruch auf Aufklärungsangebote und darauf, nicht in eine Richtung gedrängt zu werden. Mittlerweile wurde die Ausschreibung zum Glück angepasst.
Zur Person: Catharina Bruns, 42, ist Unternehmerin, Autorin und Aktivistin für faire Bedingungen für Selbstständige. Sie ist freie Kreative und Gründerin von Happy New Monday, ein Unternehmen, das Selbstständigen und Gründern dabei hilft, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Sie gilt als eine wichtige Stimme für Selbstständigkeit und neues Unternehmertum in Deutschland.
Interviews
Catharina Bruns berät als Gründerin von „Happy New Monday“ Selbstständige und setzt sich für bessere Bedingungen für Selbstständige ein. Im Interview spricht sie über ihre Kündigung mit 30 Jahren, nervige Wochenendstimmung und warum sie wütend auf das Arbeitsamt ist.
Catharina Bruns ist ernüchtert. Nach der Bundestagswahl versprach die Ampel-Koalition, die Rahmenbedingungen für Selbstständige zu verbessern. Doch nun, mitten in der Krise, fühlen sich viele Selbstständige im Stich gelassen. Der Grund laut Catharina Bruns: Deutschland ist ein Angestelltenland, Selbstständigkeit wird nicht verstanden. Deshalb kämpft die Unternehmerin immer lauter für das Recht aufs Arbeiten fernab der Festanstellung – und erklärt zugleich, warum der Montag ihr Lieblingstag ist.
Zuletzt eher normale Dinge, die ich für meinen Alltag benötige. Aber ich weiß, was ich mir als nächstes leisten werde: einen neuen Laptop. Bei meinem alten Laptop ist die Tastatur kaputt.
Mehr schlecht als recht. Oft tippe ich Buchstaben doppelt ein und das „e“ ist mittlerweile herausgebrochen. Falls ich also Rechtschreibfehler in meinen Texten habe, liegt das nur zu 50 Prozent an mir.
Nein, das bereue ich nie, ich bin gerne selbstständig. Als Angestellte verfüge ich nicht frei über meine Zeit, habe keinen Raum, eigene Projekte zu starten und mich so zu entwickeln, wie ich es will. Ich brauche keinen Arbeitgeber, keinen Chef, der entscheidet, ob ich an die Arbeit gehen darf. Ich arbeite am liebsten ohne Anleitung.
Nach dem Studium war ich zunächst in einem normalen Angestelltenjob. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich mich unwohl fühlte. Ich hatte den Eindruck, mir sei die ganze Woche geklaut worden. Ständig habe ich Aufgaben abgearbeitet, ohne persönlich weiterzukommen oder etwas Spannendes dazuzulernen. Dann habe ich begonnen, ernsthaft zu überlegen, was Arbeit für mich bedeutet und fing an, darüber zu bloggen. Mit dreißig Jahren habe ich schließlich gekündigt, weil ich gemerkt habe, dass ich einfach keine gute Angestellte bin.
Mein Blog bekam mehr und mehr Leser – und einige fanden meine Inspiration so gut, dass sie mich gefragt haben, ob es nicht auch Poster mit meinen Statements darauf gibt. Also wurde ich mehr und mehr zu so einer Art „Ein-Frau-Designstudio.“ Mein damaliger Blog „workisnotajob“ bestand aus Typo-Design Inspiration, also diese Grafiken, die eine Botschaft auf Poster, Tassen oder Notizbücher brachten – heute ist das ganze Internet voll davon, damals war das noch nicht so.
Ich habe 2012 „supercraft“ gegründet, gemeinsam mit Sophie Pester, die das Unternehmen mittlerweile allein leitet. Im Prinzip verkauft „supercraft“ kreative Zeit. Es handelt sich um ein Abomodell für Bastelboxen. Ähnlich wie bei Kochboxen sind bereits die passenden Materialien und eine Anleitung enthalten, aber der Kunde muss eigenständig tätig werden. Ich feiere Menschen, die Verantwortung übernehmen und selbstständig arbeiten wollen. Deshalb habe ich 2017 auch „Happy New Monday“ gegründet, um Gründerinnen und Selbstständige bei der Verwirklichung ihrer Ideen kreativ zu begleiten.
Mich nervt diese inflationäre „Hoch die Hände, Wochenende“-Stimmung, die oft schon freitags im Radio verbreitet wird. Als würden sich alle Menschen nur durch die Woche schleppen und auf das Wochenende hinarbeiten. Das zeigt aber, welche Arbeitskultur offenbar in diesem Land herrscht. Ich mag Montage sogar gerne, da bin ich erholt und die Woche ist noch ganz frisch und voller Möglichkeiten.
Ich bin auch auf meine Arbeit angewiesen. Und natürlich ist das ein Stück weit auch ein Privileg, das ich mir erarbeitet habe. Aber in erster Linie ist es eine Entscheidung. Anders als früher, als wirklich nur reiche Erben gründen konnten oder noch eine eigene Fabrik gebraucht wurde, steht die Selbstständigkeit heute mehr Menschen offen. Bei vielen Geschäftsideen brauchen Gründer nicht viel Kapital, sondern vor allem ein gutes Konzept. Dank der Digitalisierung und des Internets, ist Unternehmertum heute ganz anders möglich.
Diese Formulierung – „den Sprung in die Selbstständigkeit wagen“ – finde ich ganz schlimm. Als wäre Selbstständigkeit der Sonderweg und die Festanstellung die Normalität. Doch kein Mensch wird dazu geboren, Angestellter zu werden. Im Gegenteil: Gerade als Kind werden wir noch dazu ermutigt, immer selbstständiger zu werden und zu denken. Wir alle wollten früher Dinge bauen, etwas erschaffen, frei sein. Und plötzlich, im Beruf, ändert sich dieses Selbstvertrauen. Das hat auch viel damit zu tun, dass Selbstständigkeit in Deutschland keinen Stellenwert mehr hat.
Zum einen gibt es viele falsche Bilder vom Gründen. Entweder, es wird mit altem Unternehmertum, also reichen Industriellen, verwechselt oder auf hippe Start-up-Boys reduziert. Selbstständigkeit bedeutet aber Vielfalt. Die Mehrheit der Selbstständigen sind Solo-Unternehmer, davon viele Frauen, und kleine Unternehmen. Es gibt tausend Arten zu gründen. Aber Selbstständigkeit ist zum Beispiel im gesetzlichen Sozialversicherungssystem nicht vorgesehen. Die Beitragsbemessung der gesetzlichen Krankenversicherung ist für Selbstständige nicht fair, es wird beispielsweise auch das Einkommen aus Mieteinnahmen oder Geldanlage mit einberechnet. Selbstständige haben zu oft das Gefühl, alles in Deutschland arbeitet gegen sie, obwohl sie der Gesellschaft doch ein Angebot machen und eigenständig sein möchten. Das zeigt auch ein besonders heftiges Beispiel, auf das ich letztens gestoßen bin.
Ein Jobcenter in Kaiserslautern hatte eine Jobausschreibung veröffentlicht, gesucht wurde ein Coach für eine Maßnahme, die sich an arbeitssuchende Menschen mit Migrationshintergrund richtet. Der Coach sollte, so der Tenor der Ausschreibung, den Teilnehmern vermitteln, dass Selbstständigkeit eine schlechte Entscheidung sei – der Kurs richtete sich wohl bewusst an Gründungswillige. Das ist doch schrecklich: Da kommt jemand nach Deutschland, hat vielleicht eine gute Idee, will gründen und bekommt das ausgeredet. Und selbst, wenn die Idee schlecht wäre: Auch der schlechteste Unternehmer der Welt hat einen Anspruch auf Aufklärungsangebote und darauf, nicht in eine Richtung gedrängt zu werden. Mittlerweile wurde die Ausschreibung zum Glück angepasst.
Zur Person: Catharina Bruns, 42, ist Unternehmerin, Autorin und Aktivistin für faire Bedingungen für Selbstständige. Sie ist freie Kreative und Gründerin von Happy New Monday, ein Unternehmen, das Selbstständigen und Gründern dabei hilft, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Sie gilt als eine wichtige Stimme für Selbstständigkeit und neues Unternehmertum in Deutschland.
Über den Autor
Judith Henke