Das Inflationsgespenst geht mal wieder um. Seit einigen Monaten gehen die Teuerungsraten nach oben, selbst wenn man volatile Faktoren wie Energie- und Nahrungsmittelpreis ausklammert, sich also die sogenannte Kerninflationsrate anschaut. Bereits in meinem Mai-Artikel habe ich dargelegt, warum dieser Anstieg wohl keine vorübergehende Erscheinung ist und ich auch in der kommenden Dekade höhere Inflationsraten erwarte.

Traditionell erwarten Anleger als Reaktion auf höhere Inflationsraten auch höhere Zinsen, was wiederum das Interesse an Aktien als Anlageklasse senkt. Droht nun also ein Einbruch der Aktienkurse, wenn Investoren ihr Geld in andere Bereiche verschieben?

Die kurze Antwort lautet: nein. Und das liegt nicht daran, dass Generationen von Ökonomen einen falschen Zusammenhang zwischen Inflation, Zinsen und Aktienkursen hergestellt haben. Es liegt daran, dass der Zusammenhang von den Zentralbanken in den vergangenen Jahrzehnten mehr oder weniger zerstört wurde. In den USA fiel der Zinssatz von Anfang der Achtzigerjahre bis heute von etwa 14 auf aktuell 1,45 %. Gleichzeitig sank die Inflationsrate aber kaum.

Die Erklärung dafür liefert ein anderer, im Vergleich zur Inflationsrate wesentlich mächtigerer Einflussfaktor, nämlich die Staatsverschuldung bezogen auf das Volkseinkommen. Nach unseren Berechnungen können 80 % der Zinsbewegung allein durch steigende Staatsschulden erklärt werden. Damit bleibt für andere Einflussfaktoren – wie die Inflation – wenig Raum.

Die Staatsschulden werden auch in den nächsten Jahren nicht sinken, dafür sorgen Faktoren wie der demografische Wandel mit steigenden Gesundheitskosten, die Bekämpfung der Pandemiefolgen und die des Klimawandels. Das gilt nicht nur für die USA, sondern für alle übrigen Industrieländer, zunehmend auch für China. Entsprechend werden die Zinsen nur schwach oder gar nicht steigen und das trotz höherer Inflationsraten.

Damit bleibt das Umfeld insbesondere für diejenigen Teile des Aktienmarktes, die bisher nur wenig von dem Zinsrückgang der vergangenen Jahre profitiert haben und die wenig anfällig gegen allgemeine Preissteigerungen sind, langfristig positiv. Dazu zählen Basis-Konsumgüteraktien, Gesundheitsaktien und regional betrachtet auch europäische Aktien.