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Es ist manchmal faszinierend, wie sich die Wahrnehmung eines Phänomens im Laufe der Zeit ändern kann. Wer gut hundert Jahre zurückgeht, in die Spätzeit des deutschen Kaiserreichs, der findet dort eine hitzig geführte Debatte um die sogenannte „Heimarbeit“, die in vielem an die heutige Debatte um das „Homeoffice“ erinnert, wie die Arbeit in den eigenen vier Wänden mittlerweile genannt wird.
Der große Unterschied: Damals, im Jahr 1912, als das Hausarbeitsgesetz im Reichstag debattiert wurde, waren es vor allem die arbeitnehmernahen Parteien, die gegen die Heimarbeit schossen, aus Angst, dass die Arbeitgeber dort ihre Beschäftigten unkontrolliert ausbeuten konnten. Heute sind es diese politischen Akteure, die das Recht auf Homeoffice am lautesten fordern, um die Arbeiter aller Länder aus den grausamen Mühlen der Großraumbüros zu befreien.
Natürlich geht es heute bei der Arbeit zuhause nicht mehr um handwerkliche Tätigkeiten wie Spielzeuge schnitzen oder Blumensträuße binden. Stattdessen sollen Bürojobs, die sowieso primär vor dem Computer stattfinden, nicht mehr an den Schreibtisch in der Firma gebunden sein. Und trotzdem zeigt dieses Beispiel einmal mehr, wie sich die Wahrnehmung durch Corona verschoben hat. Denn selbst Die SPD, deren Arbeitsminister Hubertus Heil nun – bisher vergeblich – ein Recht auf Homeoffice durchsetzen will, trug bis vor Kurzem noch dieselben Bedenken wie 1912 mit sich herum, namentlich die Sorge davor, dass den Arbeitnehmern auch der letzte Freiraum von der Arbeit genommen wird. Dass sich das so grundlegend geändert hat, wäre ohne die Pandemie wohl unvorstellbar gewesen.
Wenn der Geist nun einmal aus der Flasche ist und selbst Arbeitnehmervertreter mehr Homeoffice und flexiblere Arbeitsmodelle fordern, stellt sich die Frage, was mit den Bürotürmen in den Innenstädten geschehen soll. Brauchen wir Büros noch? Und falls doch: Wie sollen diese aussehen?
Genau mit dieser Frage beschäftigt sich Laura Kienbaum, und das nicht erst seit dem Ausbrauch der Corona-Pandemie. Die Architektin ist Geschäftsführerin bei Combine Design, einer Firma, die Unternehmen bei der Entwicklung innovativer Bürokonzepte berät und diese auch umsetzt.
„All diese Themen, die sich grob unter New Work zusammenfassen lassen, beschäftigen uns schon seit Jahren“, berichtet sie. Bisher seien die Firmen aber oft vor zu großen Veränderungen zurückgeschreckt. „Jetzt in der Krise hat sich plötzlich gezeigt: Das meiste geht doch“, sagt Kienbaum. Ein Ende des Büros bedeutet das ihrer Meinung aber nicht: „Wir haben ja gesehen, dass den Leuten im Homeoffice doch vieles fehlt.“
Das klassische Großraumbüro oder der Flur mit dutzenden von Einzelbüros mit fester Zuordnung dürfte aber Geschichte sein. „Das Büro der Zukunft muss den Mitarbeitern vier Dinge bieten: Möglichkeiten für konzentriertes Arbeiten, für Kommunikation, vor allem aber auch für Kollaboration und für Gemeinschaftserlebnisse“, erklärt Kienbaum.
Konkret bedeutet das, dass Räume nicht mehr einzelnen Personen oder Teams zugeordnet sind. „Auch abgeschlossene kleine Büros wird es weiter geben, aber die kann dann jeder nutzen, der ein paar Stunden Ruhe und Konzentration braucht“, erläutert Kienbaum. Dazu kommen Flächen, auf denen Teams in großer Runde zusammenarbeiten können und Gemeinschaftsflächen für die lockere Konversation in der Mittagspause oder nach Feierabend. Dabei geht es auch darum, den Austausch zwischen verschiedenen Teams und Abteilungen zu fördern und so interdisziplinäre Kooperation organisch wachsen zu lassen.
Auch Sven Carstensen ist zurückhaltend, wenn es um das mögliche Ende der Büros geht. Er arbeitet beim Immobilien-Analyseunternehmen Bulwiengesa. „Aktuell haben wir in Bezug auf dieses Thema eigentlich nur Umfragen“, sagt er. Belastbare Daten fehlen, die Debatte sei von Meinungen geprägt. „Welche davon am Ende Realität wird, das kann heute niemand sagen“, erklärt er.
Aktuell bräuchten die Unternehmen tendenziell sogar mehr Raum in den Büros, um Pandemievorgaben zu erfüllen. Und auch die Umsetzung von Homeoffice-Konzepten sei nicht so einfach, wie es mancher erscheinen lasse. „Denken sie etwa an die IT-Sicherheit: Viele Unternehmen haben sich Mühe gegeben, ihre eigene Technik gegen Angriffe abzusichern“, sagt er: „Wenn nun alle Mitarbeiter auch einen Homeoffice-Platz haben, dann hilft diese Absicherung plötzlich nichts mehr.“ Ein möglicher Kompromiss könnten Satellitenbüros in Vorstädten sein, die Pendelstrecken ebenfalls reduzieren, aber trotzdem vom Arbeitgeber organisiert werden.
Laura Kienbaum weist auch darauf hin, dass ein räumlicher Umbau idealerweise nicht für sich allein stehe. „Wenn man weiterhin an alten Arbeitsprozessen hängt, dann bleiben die neuen Flächenkonzepte oft ungenutzt“, warnt sie. Gleichzeitig könne eine Firma nicht Prozesse umdrehen und glauben, dass das in althergebrachten Raumkonzepten funktioniere. „Außerdem hat jede Firma eigene Bedürfnisse, es gibt da keine Lösung, die zu allen passt“, so Kienbaum.
Sollten sich flexible, auf die einzelne Firma angepasste Raumkonzepte langfristig durchsetzen, müssen auch Bauherren diese miteinbeziehen. Zwar werden Büroflächen meistens langfristig vermietet, doch wenn ein neuer Mieter kommt, dann wird er in Zukunft erwarten, dass er auch sein eigenes Raumkonzept umsetzen kann. Hindernisse, auf die Kienbaum und ihr Team heute noch häufig treffen, sollten dann reduziert werden. Zu oft seien Arbeitswelten bisher rein funktional geplant worden, für Gestaltung ohne direkt messbaren Nutzen fehle oft der Raum. „Wobei es auch keinen Sinn ergibt, wenn nur noch Design im Vordergrund steht“, schränkt sie ein. Ein überzeichnetes Beispiel dafür sei das berühmte Bällebad, das zwar modern aussieht, oft aber den Mitarbeitern nichts bringe und kaum genutzt werde.
„Im Prinzip müssen sie bei der Konzeption und Gestaltung von Büros neben dem Immobilien-/ Facility Management auch die Personal- und Kommunikationsabteilung mit einbinden“, sagt Kienbaum.
Auch der städtische Kontext solle mitgedacht werden: „Befindet sich das Büro in einem urbanen Kontext mit einem vielfältigen Nutzungsangebot, oder auf der grünen Wiese? Wie muss das Bürokonzept darauf reagieren?“, erläutert sie. Projektentwickler sollten in Zeiten rückläufiger Nachfrage neben einer flexiblen Gebäudeorganisation auch darüber nachdenken, dass ihre Gebäude nach außen einladend wirken, damit die zukünftigen Nutzer gerne zur Arbeit kommen.
Wird nun jedes Unternehmen daran arbeiten, seine Flächen umzugestalten? Sven Carstensen von Bulwiengesa bleibt zurückhaltend. „Letztendlich gab es diese Ideen schon vorher, wir werden sehen, ob das wirklich das ist, was von Corona bleibt“, erklärt er. Ein Vorteil sei aber sicherlich, dass aufgrund der Rezession zunächst einmal die Nachfrage nach Büroflächen abnehme. „Das gibt den Mietern bessere Druckmittel in die Hand, so können sie auch mehr Fläche zu besseren Konditionen aushandeln“, sagt er.
Neue Raumkonzepte sind nach Laura Kienbaums Meinung hilfreich, um als Unternehmen in der Nach-Corona-Zeit zu überleben. „Letztendlich ist es für Unternehmen wichtig, zu diesen Entwicklungen eine Haltung zu finden, welche, ist erstmal zweitrangig“, sagt sie. Manche große Firma habe schon gesagt, dass sie die Anwesenheit der Mitarbeiter vor Ort für essenziell halte. Andere Firmen haben bereits eine modularisierte Bürowelt, können zukünftig vielleicht flächeneffizienter planen und dadurch freiwerdende Mittel anderweitig investieren. „In jedem Fall braucht es ein klares Ziel für das eigene Büro der Zukunft, an dem dann alle beteiligten Akteure zusammenarbeiten.“
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Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und massenhaften Homeoffice-Einführungen überlegen viele Unternehmen, wie sie ihre Büroflächen in Zukunft nutzen sollen. Konzepte dafür gibt es schon, aber die Umsetzung ist schwieriger, als mancher vielleicht denkt.
Es ist manchmal faszinierend, wie sich die Wahrnehmung eines Phänomens im Laufe der Zeit ändern kann. Wer gut hundert Jahre zurückgeht, in die Spätzeit des deutschen Kaiserreichs, der findet dort eine hitzig geführte Debatte um die sogenannte „Heimarbeit“, die in vielem an die heutige Debatte um das „Homeoffice“ erinnert, wie die Arbeit in den eigenen vier Wänden mittlerweile genannt wird.
Der große Unterschied: Damals, im Jahr 1912, als das Hausarbeitsgesetz im Reichstag debattiert wurde, waren es vor allem die arbeitnehmernahen Parteien, die gegen die Heimarbeit schossen, aus Angst, dass die Arbeitgeber dort ihre Beschäftigten unkontrolliert ausbeuten konnten. Heute sind es diese politischen Akteure, die das Recht auf Homeoffice am lautesten fordern, um die Arbeiter aller Länder aus den grausamen Mühlen der Großraumbüros zu befreien.
Natürlich geht es heute bei der Arbeit zuhause nicht mehr um handwerkliche Tätigkeiten wie Spielzeuge schnitzen oder Blumensträuße binden. Stattdessen sollen Bürojobs, die sowieso primär vor dem Computer stattfinden, nicht mehr an den Schreibtisch in der Firma gebunden sein. Und trotzdem zeigt dieses Beispiel einmal mehr, wie sich die Wahrnehmung durch Corona verschoben hat. Denn selbst Die SPD, deren Arbeitsminister Hubertus Heil nun – bisher vergeblich – ein Recht auf Homeoffice durchsetzen will, trug bis vor Kurzem noch dieselben Bedenken wie 1912 mit sich herum, namentlich die Sorge davor, dass den Arbeitnehmern auch der letzte Freiraum von der Arbeit genommen wird. Dass sich das so grundlegend geändert hat, wäre ohne die Pandemie wohl unvorstellbar gewesen.
Wenn der Geist nun einmal aus der Flasche ist und selbst Arbeitnehmervertreter mehr Homeoffice und flexiblere Arbeitsmodelle fordern, stellt sich die Frage, was mit den Bürotürmen in den Innenstädten geschehen soll. Brauchen wir Büros noch? Und falls doch: Wie sollen diese aussehen?
Genau mit dieser Frage beschäftigt sich Laura Kienbaum, und das nicht erst seit dem Ausbrauch der Corona-Pandemie. Die Architektin ist Geschäftsführerin bei Combine Design, einer Firma, die Unternehmen bei der Entwicklung innovativer Bürokonzepte berät und diese auch umsetzt.
„All diese Themen, die sich grob unter New Work zusammenfassen lassen, beschäftigen uns schon seit Jahren“, berichtet sie. Bisher seien die Firmen aber oft vor zu großen Veränderungen zurückgeschreckt. „Jetzt in der Krise hat sich plötzlich gezeigt: Das meiste geht doch“, sagt Kienbaum. Ein Ende des Büros bedeutet das ihrer Meinung aber nicht: „Wir haben ja gesehen, dass den Leuten im Homeoffice doch vieles fehlt.“
Das klassische Großraumbüro oder der Flur mit dutzenden von Einzelbüros mit fester Zuordnung dürfte aber Geschichte sein. „Das Büro der Zukunft muss den Mitarbeitern vier Dinge bieten: Möglichkeiten für konzentriertes Arbeiten, für Kommunikation, vor allem aber auch für Kollaboration und für Gemeinschaftserlebnisse“, erklärt Kienbaum.
Konkret bedeutet das, dass Räume nicht mehr einzelnen Personen oder Teams zugeordnet sind. „Auch abgeschlossene kleine Büros wird es weiter geben, aber die kann dann jeder nutzen, der ein paar Stunden Ruhe und Konzentration braucht“, erläutert Kienbaum. Dazu kommen Flächen, auf denen Teams in großer Runde zusammenarbeiten können und Gemeinschaftsflächen für die lockere Konversation in der Mittagspause oder nach Feierabend. Dabei geht es auch darum, den Austausch zwischen verschiedenen Teams und Abteilungen zu fördern und so interdisziplinäre Kooperation organisch wachsen zu lassen.
Auch Sven Carstensen ist zurückhaltend, wenn es um das mögliche Ende der Büros geht. Er arbeitet beim Immobilien-Analyseunternehmen Bulwiengesa. „Aktuell haben wir in Bezug auf dieses Thema eigentlich nur Umfragen“, sagt er. Belastbare Daten fehlen, die Debatte sei von Meinungen geprägt. „Welche davon am Ende Realität wird, das kann heute niemand sagen“, erklärt er.
Aktuell bräuchten die Unternehmen tendenziell sogar mehr Raum in den Büros, um Pandemievorgaben zu erfüllen. Und auch die Umsetzung von Homeoffice-Konzepten sei nicht so einfach, wie es mancher erscheinen lasse. „Denken sie etwa an die IT-Sicherheit: Viele Unternehmen haben sich Mühe gegeben, ihre eigene Technik gegen Angriffe abzusichern“, sagt er: „Wenn nun alle Mitarbeiter auch einen Homeoffice-Platz haben, dann hilft diese Absicherung plötzlich nichts mehr.“ Ein möglicher Kompromiss könnten Satellitenbüros in Vorstädten sein, die Pendelstrecken ebenfalls reduzieren, aber trotzdem vom Arbeitgeber organisiert werden.
Laura Kienbaum weist auch darauf hin, dass ein räumlicher Umbau idealerweise nicht für sich allein stehe. „Wenn man weiterhin an alten Arbeitsprozessen hängt, dann bleiben die neuen Flächenkonzepte oft ungenutzt“, warnt sie. Gleichzeitig könne eine Firma nicht Prozesse umdrehen und glauben, dass das in althergebrachten Raumkonzepten funktioniere. „Außerdem hat jede Firma eigene Bedürfnisse, es gibt da keine Lösung, die zu allen passt“, so Kienbaum.
Sollten sich flexible, auf die einzelne Firma angepasste Raumkonzepte langfristig durchsetzen, müssen auch Bauherren diese miteinbeziehen. Zwar werden Büroflächen meistens langfristig vermietet, doch wenn ein neuer Mieter kommt, dann wird er in Zukunft erwarten, dass er auch sein eigenes Raumkonzept umsetzen kann. Hindernisse, auf die Kienbaum und ihr Team heute noch häufig treffen, sollten dann reduziert werden. Zu oft seien Arbeitswelten bisher rein funktional geplant worden, für Gestaltung ohne direkt messbaren Nutzen fehle oft der Raum. „Wobei es auch keinen Sinn ergibt, wenn nur noch Design im Vordergrund steht“, schränkt sie ein. Ein überzeichnetes Beispiel dafür sei das berühmte Bällebad, das zwar modern aussieht, oft aber den Mitarbeitern nichts bringe und kaum genutzt werde.
„Im Prinzip müssen sie bei der Konzeption und Gestaltung von Büros neben dem Immobilien-/ Facility Management auch die Personal- und Kommunikationsabteilung mit einbinden“, sagt Kienbaum.
Auch der städtische Kontext solle mitgedacht werden: „Befindet sich das Büro in einem urbanen Kontext mit einem vielfältigen Nutzungsangebot, oder auf der grünen Wiese? Wie muss das Bürokonzept darauf reagieren?“, erläutert sie. Projektentwickler sollten in Zeiten rückläufiger Nachfrage neben einer flexiblen Gebäudeorganisation auch darüber nachdenken, dass ihre Gebäude nach außen einladend wirken, damit die zukünftigen Nutzer gerne zur Arbeit kommen.
Wird nun jedes Unternehmen daran arbeiten, seine Flächen umzugestalten? Sven Carstensen von Bulwiengesa bleibt zurückhaltend. „Letztendlich gab es diese Ideen schon vorher, wir werden sehen, ob das wirklich das ist, was von Corona bleibt“, erklärt er. Ein Vorteil sei aber sicherlich, dass aufgrund der Rezession zunächst einmal die Nachfrage nach Büroflächen abnehme. „Das gibt den Mietern bessere Druckmittel in die Hand, so können sie auch mehr Fläche zu besseren Konditionen aushandeln“, sagt er.
Neue Raumkonzepte sind nach Laura Kienbaums Meinung hilfreich, um als Unternehmen in der Nach-Corona-Zeit zu überleben. „Letztendlich ist es für Unternehmen wichtig, zu diesen Entwicklungen eine Haltung zu finden, welche, ist erstmal zweitrangig“, sagt sie. Manche große Firma habe schon gesagt, dass sie die Anwesenheit der Mitarbeiter vor Ort für essenziell halte. Andere Firmen haben bereits eine modularisierte Bürowelt, können zukünftig vielleicht flächeneffizienter planen und dadurch freiwerdende Mittel anderweitig investieren. „In jedem Fall braucht es ein klares Ziel für das eigene Büro der Zukunft, an dem dann alle beteiligten Akteure zusammenarbeiten.“
Über den Autor
Lars-Thorben Niggehoff
Lars-Thorben Niggehoff schreibt über Immobilien, Start-Ups und Geldanlage.