Für gewöhnlich wagen wir – wie Sie vielleicht wissen – keine kurzfristigen Prognosen, weder zur Konjunktur noch zu den Kapitalmärkten. Das hat einen einfachen Grund: Sie funktionieren nicht.
Lassen Sie mich zwei Beispiele geben, die niemanden schrecken sollten: Die Federal Reserve Bank of Philadelphia befragt seit über 50 Jahren professionelle Konjunkturforscher nach ihrer Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Rezession. Der letzte verfügbare Wert vom November 2022 war mit weitem Abstand der höchste, den es jemals gab. Ähnlich sieht es bei Bloombergs regelmäßiger Befragung von Aktienstrategen aus. Seit Beginn der Befragung im Jahr 1999 wurde erstmalig im November 2022 ein Kursrückgang im folgenden Jahr erwartet – ein ebenso auffälliger Pessimismus wie bei den Konjunkturforschern.
Keine dieser beiden Befragungen hat in der Vergangenheit Rezessionen akkurat vorhergesagt. Als etwa Anfang 1982 eine Rezession entstand, hatten die Konjunkturforscher in der Fed-Befragung deren Wahrscheinlichkeit gerade mal ein Jahr zuvor auf 8,7 Prozent geschätzt. Die Erfolgsquote der Bloomberg-Umfrage ist nicht höher.
Aber zu jeder Regel gibt es Ausnahmen. Und es gibt durchaus Zahlen, auf die wir uns stützen, wenn wir das Wirtschaftsgeschehen in der kurzen Frist analysieren. Das ist zum einen die Cash-Quote großer internationaler Aktienfonds. Erfahrungsgemäß verkaufen pessimistische Fondsmanager einen Teil ihrer Aktien, um die Kriegskasse zu füllen und nach einem erwarteten Kurseinbruch nachzukaufen. Aktuell ist die Cash-Quote so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Der Zusammenhang zwischen hohen Barbeständen und einer folgenden Krise hat sich in der Vergangenheit bereits immer wieder gezeigt. Ähnlich präzise sind Umfragen, die Verbrauchervertrauen messen. Liegt das deutlich unter dem Durchschnitt, zieht meist eine Rezession auf. Der Durchschnittswert über mehrere beobachtete Länder unterschritt im September die Tiefststände aus der Zeit nach der Lehman-Pleite.
Was diese statistischen Ausschläge aber ebenfalls gemeinsam haben: Ihnen folgen nicht nur Rezessionen, sondern meist auch starke Aktienkursgewinne. Wenn zum Beispiel die Verbraucher besonders pessimistisch waren, sind in den folgenden zwölf Monaten die Aktienkurse um durchschnittlich 20,3 Prozent gestiegen. Insgesamt lagen die durchschnittlichen Kursgewinne seit 1970 bei knapp sechs Prozent pro Jahr. Besorgte Anleger und Verbraucher drücken die Kurse, so dass sich in der Folge einige gute Kaufgelegenheiten ergeben. Deren Pessimismus kann also durchaus Grund für Optimismus auf unserer Seite sein.
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