Reinhard Panses Positionen
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Podcast
Die Ökonomie ist wie jede andere Wissenschaft ständig neuen Erkenntnissen ausgesetzt. Alte Gewissheiten werden über den Haufen geworfen, neue Regeln identifiziert und formuliert. Das betrifft selbst solche Konstanten wie die Inflationsrate. Die ist, auf den ersten Blick, sehr simpel: Sie beschreibt den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus. Für Zentralbanken war sie stets der Maßstab, nachdem sie ihre Geldpolitik ausrichteten, schließlich wollten sie Preisstabilität erreichen.
Vor ziemlich genau 50 Jahren mussten die Zentralbanker aber erkennen, dass die Inflationsrate in ihrer damaligen Form nicht die richtige Orientierungshilfe war. Während der Ölkrise nämlich wurde den schlauen Köpfen der US-amerikanischen Fed klar, dass sich die Ölförderländer kaum von amerikanischen Zinsbewegungen zu einer Drosselung oder Erhöhung des Fördervolumens bewegen ließen. Also definierten sie in der Folge die Kerninflationsrate, aus der die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet werden. Diese Kerninflationsrate war nicht nur deutlich stabiler, sie zeigte auch klarer an, wann die Zentralbank zu reagieren hatte.
Jetzt ist es Zeit für eine weitere Anpassung. Denn mittlerweile sind einige weitere Faktoren hinzugekommen, die die Inflation beeinflussen, gleichzeitig aber außerhalb des Einflusses der Zentralbanken liegen. Zuvorderst ist das der demografische Wandel. Seit 2020 geht in der Eurozone und in China die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter (25 bis 64 Jahre) zurück. Die unmittelbare Folge davon ist, dass es nun einen Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenrate und den Lohnstückkosten gibt, den wir vorher nie beobachtet haben. Der Anstieg der Lohnstückkosten lag bis 2020 ungefähr zwischen einem und drei Prozent und war unabhängig davon, ob die Arbeitslosenrate sieben oder zwölf Prozent betrug. Ab 2020 erreichte der Lohnstückkosten-Anstieg ab einer Arbeitslosenrate von unter sieben Prozent Werte zwischen 2,5 und 6,5 Prozent, weil die Eurozone zwar am Rande einer Rezession steht, aber die Arbeitslosenquote niedrig bleibt. Offensichtlich müssen Arbeitgeber selbst in einem schwachen Wirtschaftsumfeld hohe Löhne zahlen, um überhaupt Arbeitskräfte zu bekommen. Entsprechend müssten Zentralbanken die Zinsen noch stärker anheben als früher, um die Inflation zu drücken.
Für die Unternehmen wäre das eine Doppelbelastung und eine mittlere Katastrophe. Zentralbanken sollten deshalb – ähnlich wie einst bei Energie und Lebensmitteln – eine demografiebedingte Inflationskomponente herausrechnen. In der Praxis würde das bedeuten, dass sich EZB, Fed und Co. vom Zwei-Prozent-Inflationsziel verabschieden. In schwierigen demografischen Zeiten sind drei bis vier Prozent deutlich realistischer. Die zunehmende Einschränkung des freien Welthandels und der Wunsch vieler Regierungen, ihre Volkswirtschaften autarker aufzustellen (Stichwort: European Chips Act), tragen ebenfalls zu dieser Entwicklung bei.
Sollten die Zentralbanken sich mit diesem Gedanken tatsächlich anfreunden – und davon gehen wir aus – dann bedeutet das auch, dass sie sich bei Zinserhöhungen zunehmend zurückhalten. Konkret auf die aktuelle Phase der Zinserhöhungen gemünzt, erwarten wir, dass mit den gesunkenen Inflationsraten und den steigenden langfristigen Zinsen genug Fakten vorliegen, sodass die Zentralbanken die Zinsen nicht weiter erhöhen. Positiv auswirken wird sich das auf Aktien, Beteiligungsfonds, Immobilien und Gold, traditionell Profiteure in Niedrigzinsphasen.
Reinhard Panses Positionen
Seit 50 Jahren berechnen Zentralbanken die Kerninflation nach der gleichen Formel. Doch in Zeiten des demografischen Wandels und protektionistischer Wirtschaftspolitik ist diese nicht mehr zeitgemäß.
Die Ökonomie ist wie jede andere Wissenschaft ständig neuen Erkenntnissen ausgesetzt. Alte Gewissheiten werden über den Haufen geworfen, neue Regeln identifiziert und formuliert. Das betrifft selbst solche Konstanten wie die Inflationsrate. Die ist, auf den ersten Blick, sehr simpel: Sie beschreibt den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus. Für Zentralbanken war sie stets der Maßstab, nachdem sie ihre Geldpolitik ausrichteten, schließlich wollten sie Preisstabilität erreichen.
Vor ziemlich genau 50 Jahren mussten die Zentralbanker aber erkennen, dass die Inflationsrate in ihrer damaligen Form nicht die richtige Orientierungshilfe war. Während der Ölkrise nämlich wurde den schlauen Köpfen der US-amerikanischen Fed klar, dass sich die Ölförderländer kaum von amerikanischen Zinsbewegungen zu einer Drosselung oder Erhöhung des Fördervolumens bewegen ließen. Also definierten sie in der Folge die Kerninflationsrate, aus der die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet werden. Diese Kerninflationsrate war nicht nur deutlich stabiler, sie zeigte auch klarer an, wann die Zentralbank zu reagieren hatte.
Jetzt ist es Zeit für eine weitere Anpassung. Denn mittlerweile sind einige weitere Faktoren hinzugekommen, die die Inflation beeinflussen, gleichzeitig aber außerhalb des Einflusses der Zentralbanken liegen. Zuvorderst ist das der demografische Wandel. Seit 2020 geht in der Eurozone und in China die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter (25 bis 64 Jahre) zurück. Die unmittelbare Folge davon ist, dass es nun einen Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenrate und den Lohnstückkosten gibt, den wir vorher nie beobachtet haben. Der Anstieg der Lohnstückkosten lag bis 2020 ungefähr zwischen einem und drei Prozent und war unabhängig davon, ob die Arbeitslosenrate sieben oder zwölf Prozent betrug. Ab 2020 erreichte der Lohnstückkosten-Anstieg ab einer Arbeitslosenrate von unter sieben Prozent Werte zwischen 2,5 und 6,5 Prozent, weil die Eurozone zwar am Rande einer Rezession steht, aber die Arbeitslosenquote niedrig bleibt. Offensichtlich müssen Arbeitgeber selbst in einem schwachen Wirtschaftsumfeld hohe Löhne zahlen, um überhaupt Arbeitskräfte zu bekommen. Entsprechend müssten Zentralbanken die Zinsen noch stärker anheben als früher, um die Inflation zu drücken.
Für die Unternehmen wäre das eine Doppelbelastung und eine mittlere Katastrophe. Zentralbanken sollten deshalb – ähnlich wie einst bei Energie und Lebensmitteln – eine demografiebedingte Inflationskomponente herausrechnen. In der Praxis würde das bedeuten, dass sich EZB, Fed und Co. vom Zwei-Prozent-Inflationsziel verabschieden. In schwierigen demografischen Zeiten sind drei bis vier Prozent deutlich realistischer. Die zunehmende Einschränkung des freien Welthandels und der Wunsch vieler Regierungen, ihre Volkswirtschaften autarker aufzustellen (Stichwort: European Chips Act), tragen ebenfalls zu dieser Entwicklung bei.
Sollten die Zentralbanken sich mit diesem Gedanken tatsächlich anfreunden – und davon gehen wir aus – dann bedeutet das auch, dass sie sich bei Zinserhöhungen zunehmend zurückhalten. Konkret auf die aktuelle Phase der Zinserhöhungen gemünzt, erwarten wir, dass mit den gesunkenen Inflationsraten und den steigenden langfristigen Zinsen genug Fakten vorliegen, sodass die Zentralbanken die Zinsen nicht weiter erhöhen. Positiv auswirken wird sich das auf Aktien, Beteiligungsfonds, Immobilien und Gold, traditionell Profiteure in Niedrigzinsphasen.
Über den Autor
Reinhard Panse
Reinhard Panse ist Chief Investment Officer und Mitgründer der FINVIA Family Office GmbH. Bis Februar 2020 war Reinhard Panse Mitglied der Geschäftsführung und Chief Investment Officer für die im Eigentum der Familie Harald Quandt stehende HQ Trust GmbH. Von 2004 bis zum Eintritt in die HQ Trust GmbH im Jahre 2011 war Reinhard Panse Chief Investment Officer des in der UBS Deutschland AG geschaffenenGeschäftsbereichs UBS Sauerborn. Ab 2001 war Reinhard Panse Mitglied des Vorstands der Sauerborn Trust AG bzw. der Rechtsvorgänger. Er verantwortete die Investmentstrategie und gestaltete federführend die ganzheitliche Vermögensbetreuung und -verwaltung großer Privatvermögen. Begonnen hat Reinhard Panse mit der Übernahme von Kapitalmarkt- und Kundenbetreuungstätigkeiten bei der Feri GmbH im Jahre 1989, nachdem er eine eigene Vermögensverwaltung als Geschäftsführer gegründet und geführt hatte.