Erst ging es steil bergab, dann wieder hoch hinauf: So lässt sich das völlig irrationale Verhalten der Anleger in der Coronakrise beschreiben. Als sich das Virus im März immer schneller ausbreitete, fuhren viele Länder die Wirtschaft zu dessen Bekämpfung herunter. Und was machten die Anleger? Sie verabschiedeten sich vom rationalen Denken.
Die Kurse stürzten ab. Innerhalb von vier Wochen gingen sie weltweit um 30 Prozent zurück, in Deutschland gar um 40 Prozent. Doch kurz nachdem die Aktienanalysten das Ausmaß der dadurch bedingten Rückgänge der Firmengewinne beziffert hatten, setzte zur allgemeinen Überraschung am Aktienmarkt wieder eine fulminante Erholung ein, die zum Beispiel den Deutschen Aktienindex in weniger als 3 Monaten um 52% nach oben beförderte.
All das ist nur passiert, weil sich Anleger einen starken Zusammenhang zwischen Konjunktur und Kapitalmarkt konstruieren. Denn eigentlich hängen beide Werte wenig bis gar nicht voneinander ab. Deutlich wird das zum Beispiel mit einem Blick auf die langfristige Aktienperformance, bestehend aus Kursgewinnen und wieder angelegten Dividendenerträgen, der Märkte in alten Industrieländern.
In Italien etwa ist die reale Wirtschaftsleistung einer Person von 1900 bis 2020 um das Achtfache gestiegen. In Australien stieg sie im gleichen Zeitraum um das Siebenfache. Es wäre also zu erwarten, dass der italienische Aktienmarkt etwas stärker gestiegen ist als der Australische. Tatsächlich hat sich der Wert italienischer Aktien in dieser Zeit real verachtfacht, der Wert australischer Aktien schnellte allerdings um das 3.174-fache in die Höhe.
Langfristige Konjunkturprognosen sind für die Schätzung der langfristigen Ertragserwartungen von Aktien ohne Bedeutung
Nein, das ist kein Tippfehler und ein Zufall ist es auch nicht. Es lassen sich eine ganze Reihe von Industrieländern so vergleichen. Langfristige Konjunkturprognosen sind für die Schätzung der langfristigen Ertragserwartungen von Aktien oder Beteiligungsfonds ohne Bedeutung – und das gilt auch mittelfristig. Selbst mit kurzfristigen Konjunkturprognosen können Anleger nichts anfangen. Hier gibt es zwar einen Zusammenhang zwischen Wirtschaftsentwicklung und Aktienmarkt – allerdings ist der zeitverzögert. Statistiken zeigen, dass die Konjunktur den Kursen hinterherhinkt.
Entscheidend für die Aktienperformance eines Landes sind weder hohes Wirtschaftswachstum noch große Rohstoffvorkommen oder die Zahl der Nobelpreisträger, sondern der Anteil an gut geführten Unternehmen, die mit nachhaltigen Geschäftsmodellen für ihre Aktionäre viel Geld verdienen, ohne Arbeitnehmer oder Zulieferer schlecht zu behandeln. Genauso wichtig sind Regierungen, die das Land gut führen. Daran wird auch Corona nichts ändern.