Aktien sind manchmal ein guter Frühindikator, wenn es um die realwirtschaftliche Entwicklung geht. So brachen die Kurse sowohl vor der Finanzkrise ab 2007 als auch vor der Coronakrise ein und nahmen damit einen deutlichen Abschwung des Volkseinkommens vorweg.
Hundertprozentig zuverlässig ist dieser Indikator aber nicht. Der US-amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson sagte einmal: „Die Börse hat neun der letzten fünf Rezessionen erfolgreich vorhergesagt.“ Das bedeutet: nicht jedem Abschwung am Kapitalmarkt folgt auch ein volkswirtschaftlicher.
Betrachten wir dazu ein aktuelles Beispiel. Kurse von Wohnimmobilienaktien sind seit Beginn des Krieges in der Ukraine um durchschnittlich etwa 20 Prozent gesunken. Das erscheint erst einmal schlüssig, schließlich steigt die Inflation, das wiederum führt zu höheren Zinsen, was laut ökonomischer Lehre die Nachfrage nach Immobilien drückt. Prophezeit das Börsenorakel hier also einen Einbruch am Immobilienmarkt?
Um es vorwegzunehmen: höchstwahrscheinlich nicht. Denn der massive Einbruch der vergangenen Monate lässt sich nur teilweise durch Inflation und steigende Zinsen erklären. Ein weiterer Faktor ist die Standardreaktion von Anlegern, auf Zinssteigerungen mit Aktienverkäufen zu reagieren. Entscheidend für Immobilienunternehmen sind zudem die Mindeststandards für Energieeffizienz, etwa aufgrund einer geplanten EU-Richtlinie. Die dadurch nötigen Sanierungen dürften wegen Handwerkerknappheit und explodierenden Preisen für Baumaterial sehr teuer und sehr zeitaufwändig werden.
Was die Verkäufer der Immobilienaktien aber übersehen: Gerade Besitzer großer Bestände – wie zum Beispiel Vonovia – werden diese Mehrkosten deutlich besser schultern können als kleine Vermieter. Deren Wohnungen werden dann, unsaniert und mit hohen Nebenkosten belastet, praktisch unvermietbar werden, was die Mieteinnahmen der großen Vermieter treiben wird.
Dazu kommen Langfristfaktoren wie vermutlich steigende Gehälter aufgrund des demographischen Wandels (Effekte, die ich an dieser Stelle bereits erläutert habe). Höhere Gehälter können zu höheren Mieten führen, was wiederum zu höheren Profiten bei Immobilienunternehmen führt.
Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass das Zinsniveau laut unseren Prognosen auch künftig unterhalb der Inflationsrate bleiben wird, versprechen Wohnimmobilien auch nach dem jüngsten Zinsanstieg weiterhin ein gutes Ertragspotenzial; der Kurseinbruch der Immobilienaktien in Deutschland ist – diesmal – kein zuverlässiger Frühindikator für künftig fallende Wohnungspreise.