Kapitalmarktausblick 12/20

300 Jahre Gelddrucken – Wie Staaten ihre Schulden entsorgen

18.12.2020

In unserem Kapitalmarktausblick vom Oktober 2020 haben wir die unheilvolle Rolle des Staates bei den größten Aktiencrashs der letzten 30 Jahre untersucht. Dabei wurden durch staatliche Anreize private Fehlinvestitionen ausgelöst, um – verglichen mit heute – kleine ökonomische oder politische Unannehmlichkeiten zu verschleiern. Investitionslenkungen, wie sie aktuell vor dem Hintergrund der Bekämpfung der Erderwärmung initiiert werden, lösten damals schon mit weit weniger edlen Motiven zunächst hohe Aktien- oder Immobilienpreissteigerungen aus (Aktien und Immobilen in Japan 1985-1989, Immobilien in Ostdeutschland 1990-1994, Technologie- und Telekom-Aktien insbesondere in den USA bis 2000 und US-Subprime-Immobilienkredite bis 2006).

Die im Vergleich zu heute geradezu lächerlichen Probleme bestanden in:

  • Nachteilen für japanische Exportunternehmen wegen eines von den USA erzwungenen hohen Wechselkurses (1985-1989)
  • Maroden Immobilien in Ostdeutschland, zu deren Sanierung man mit Steuervorteilen private Investoren animierte, um mit schicken Innenstädten die ostdeutschen Wähler von den Qualitäten der Kohl-Regierung zu überzeugen (erfolgreich, die CDU gewann die Wahl im Jahr 1994)
  • Staatlicher Erlaubnis von Buchhaltungstricks in den Jahren bis 2000, mit denen insbesondere Technologiefirmen ihre Gewinne aufpolieren konnten, um einen Ausverkauf dieser schon damals letzten Ikonen der US-Wirtschaft an Japaner und Europäer zu verhindern
  • Sinkenden Reallöhnen der US-Unterschicht, die erleichterten Zugang zu Immobiliendarlehen bekommen sollten. Mit Hilfe staatlich geduldeter geschönter Ratings für diese Darlehen an finanziell schwache Schuldner konnten vierstellige Milliardensummen zur Finanzierung dieser „Subprime“-Darlehen im In- und Ausland eingesammelt werden.

In allen Fällen folgte auf eine kurze Scheinblüte eine langjährige Schwäche der jeweiligen gesamten Volkswirtschaft, die nur durch staatliche Konjunkturstützung und durch neue Staatsschulden bekämpft werden konnte. Nach der Subprime-Krise ab 2008 musste die zur Konjunkturstützung notwendige Staatsneuverschuldung erstmals auch durch Gelddrucken und Staatsanleihekäufe abgesichert werden, um steigende Zinsen zu verhindern.

Nun stehen wir nicht nur in einzelnen Staaten, sondern weltweit vor wesentlich größeren Problemen:

  • Schwache Demografie und damit strukturell wachsende Staatsdefizite für die Finanzierung der Renten
  • Kaum noch vorhandenes Produktivitätswachstum, auch in China
  • Arbeitslosigkeit und Zusammenbruch einiger Sektoren (Tourismus, Gastronomie, Kultur) wegen Corona
  • Erderwärmung, zu deren Eindämmung riesige Summen investiert werden müssen
  • Und zu allem Überfluss historisch nie dagewesene weltweite Schulden (Staat, Unternehmen, Private Haushalte, Finanzsektor). Diese betragen nach neuesten Angaben (Internationaler Währungsfonds IWF, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ, Quelle: Daniel Stelter, bto, Nov. 2020) im dritten Quartal 2020 gewaltige 272.000 Mrd. $ bzw. 362% des weltweiten Volkseinkommens. In den entwickelten Ländern sind es sogar 432%.

Sie kennen wahrscheinlich schon unsere (langjährige) Einschätzung, dass die enorme Verschuldung keineswegs zu einem baldigen Zusammenbruch der Kapitalmärkte führen wird. Die Regierungen haben nämlich ab Februar 2020 erneut die Möglichkeiten der unbegrenzten Geldschöpfung durch die Zentralbanken genutzt, bei der Zentralbank indirekt riesige Kredite aufgenommen und das Geld in die taumelnde Wirtschaft gepumpt. Trotz neuer Schuldenberge kauften die Zentralbanken dabei mit dem frisch gedruckten Geld so viele Anleihen, dass der Zins sogar noch weiter sinken konnte, wie Sie unten am Beispiel der USA sehen können.

Bei hohen Staatsschulden (1946 bzw. ab 2008) drücken Staat und Zentralbank die Zinsen massiv, damit der Staat und auch private Schuldner solvent bleiben. 2020 gibt es anders als 1946 jedoch nicht nur ein riesiges Problem (Weltkrieg), sondern neben Corona viele weitere

Basis unserer längerfristig positiven Einschätzung der Sachwertanlagen Aktien, Beteiligungsfonds, (Wohn-)Immobilien und Gold ist die bisher zutreffende Überlegung, dass die extrem tiefen Zinsen auch eigentlich risikoscheue Anleger zunehmen in diese risikoreicheren Anlageformen zwingen werden.

Zur Absicherung dieser These haben wir diesmal einen Blick in die Finanzgeschichte der letzten 300 Jahre gewagt und mehrere Fälle gefunden, in denen einzelne Staaten genau wie heute nahezu alle Staaten in große, eigentlich nicht mehr lösbare finanzielle Schwierigkeiten geraten sind – meistens durch teure Kriege, manchmal auch schon ganz modern durch verschwenderische Misswirtschaft. Wie wir sehen werden, unterstützten die Politiker schon damals die gleichen Ideen wie heute, nämlich eine starke Ausweitung des Umlaufs von Banknoten ohne jede Deckung, z.B. durch Edelmetalle. Damit wurden dann die Staatsschulden aufgekauft und in der nachfolgenden Inflation entwertet. Trickreich wurde damals wie heute das Vertrauen der Anleger in die Wertstabilität des vielen frischen Geldes so lange wie möglich aufrechterhalten. Die immer gleichen Folgen für die Kapitalmärkte untermauern unsere obengenannte Erwartung.

Durch die Kosten des Spanischen Erbfolgekrieges (1701 bis 1714) waren in Frankreich, das zusätzlich durch absurd hohe Hofhaltungskosten des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. belastet war, enorme Staatsschulden aufgelaufen, nämlich ungefähr das 20-fache der gesamten Staatseinnahmen. Die darauf entfallenden Zinsen (durchschnittlich ca. 4%) fraßen dementsprechend weit über die Hälfte der Staatseinnahmen auf, so dass immer höhere Defizite zu steigenden Zinsen neu finanziert werden mussten; der Bankrott war absehbar. Prozesse gegen Steuereintreiber, denen man Korruption und Unterschlagung vorwarf, brachten keine nennenswerte Linderung. Ab 1716 erschien ein durch Erbschaft und Glücksspiel reichgewordener Schotte namens John Law of Lauriston auf dem Spielfeld. Er war nicht nur charmant und gutaussehend, sondern auch mathematisch hochbegabt und konnte daher die Siegeswahrscheinlichkeiten besser berechnen als seine jeweiligen Mitspieler. Er hatte sich bei dem neuen französischen Regenten, dem Herzog von Orléans, durch intensives Networking, aber auch durch einen noch heute zu Recht hochgelobten Vorschlag zur Belebung der Wirtschaft durch Ausgabe von Banknoten ins Gespräch gebracht. Er erhielt eine staatliche Lizenz für eine Bank (Banque Générale), die erstmals in Frankreich Banknoten ausgeben durfte. Seine durchaus innovative Erkenntnis war, dass diese leichter vermehrbar waren und schneller zirkulieren könnten als das ewig knappe Edelmetall, die damals übliche Grundlage der Währungen. Damit erschienen Banknoten zur wachstumsfördernden Finanzierung von Handel und Produktion wesentlich besser geeignet als Münzen aus Edelmetall. John Law kann man durchaus mit Ben Bernanke, dem Chef der US-Notenbank während der Finanzkrise 2008, vergleichen. Dieser griff nach der Lehman-Pleite auf seine früheren Forschungsarbeiten zur Großen Depression 1929 bis 1932 zurück und ließ massiv Geld drucken. Die Wirtschaft und das Finanzsystem erholten sich in den USA wesentlich schneller als in der Eurozone, in der man erst 2011 begriff, dass die Probleme einer überschuldeten Wirtschaft ohne Gelddrucken längst nicht mehr gelöst werden können. Erst der damalige Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi verhalf 2012 den in einer solchen Lage grundsätzlich richtigen Ideen John Laws zum Durchbruch.

John Law wurde fast 300 Jahre zuvor Chef der französischen „Zentralbank“, denn er hatte durch drei gute Ideen sofort Erfolg

Die Banknoten der Banque Générale von John Law wurden gern angenommen, weil sie jederzeit in eine festgelegte Menge Edelmetall getauscht werden konnten und weil die Steuerbehörden sie für Steuerzahlungen akzeptierten; sie wurden gesetzliche Zahlungsmittel. Das war die erste zündende Idee, denn kurz zuvor hatte die Regierung den Edelmetallgehalt ihrer Münzen um 30% gesenkt, die bis dahin seit dem römischen Kaiser Nero übliche Form der Geldvermehrung und damit Geldentwertung. Die Banknoten schienen damit attraktiver als Münzen zu sein. Dass von Beginn an mehr Banknoten ausgegeben wurden, als Edelmetalldeckung vorhanden war, merkten die Anleger vorläufig nicht – heute wissen sie zum Glück von Zentralbanken und Regierungen gar nicht mehr, dass Geld früher überhaupt einmal eine gewisse Deckung (durch Edelmetalle) besaß. Die zweite Idee des überhaupt nicht geizigen Schotten war, mit den Banknoten laufende Staatsausgaben zu bezahlen (2020 finanzieren die Zentralbanken faktisch ebenfalls die Staaten direkt, indem sie coronabedingte neue Staatsanleihen zügig aufkaufen, was dem angeblichen Verbot der direkten Übernahme von Staatsausgaben sehr, sehr nahekommt). Auch der Ankauf bestehender Staatsanleihen des nahezu bankrotten Staates gehörte zum Geschäftsmodell und brachte weitere Banknoten, die die Verkäufer erhielten, in Umlauf. Damit erleichterte John Law die Finanzprobleme der Regierung spürbar und auch die Wirtschaft belebte sich angesichts des vermehrten Geldumlaufs.  Nun übernahm der Staat die erfolgreiche Bank, die ihren Namen in „Banque Royale“ änderte und damit faktisch zur Zentralbank wurde. Da bisher aber nur ein kleiner Teil der Staatsschulden aufgekauft war, erweiterte John Law das Geschäftsmodell. Permanentes Drucken von Banknoten hätte irgendwann die Frage nach der Deckung der Noten durch Edelmetall und damit nach der Werthaltigkeit ausgelöst. Also gründete er – die dritte Idee - die Compagnie d'Occident, die die staatliche Lizenz zur Ausbeutung der in Louisiana - ohne jede Grundlage – vermuteten Goldschätze erhielt. Die Aussicht auf Berge von Gold aus der damals französischen Kolonie wurde von bezahlten Journalisten befeuert und weckte das Interesse der Kleinanleger. Um an deren Geld zu kommen, wurde das schon bei Gründung enorme Kapital der Gesellschaft in 200.000 Aktien zu nur 500 Livre aufgeteilt; die Aktien der Banque Générale hatten bei Erstausgabe noch 5.000 Livre gekostet. In wenigen Monaten stieg der Aktienkurs um das 20fache (siehe untenstehende Grafik), und man konnte das Kapital der Gesellschaft durch Ausgabe neuer Aktien zu immer höheren Kursen massiv erhöhen.

Mit der Aussicht auf riesige Goldvorkommen in Louisiana (damals fast die Hälfte der Fläche der späteren USA) explodierte der Aktienkurs, der zu so hohen Kapitalerhöhungen genutzt wurde, sodass die Gesellschaft einen großen Teil der Staatsschulden Frankreichs aufkaufen konnte

Von diesem Geldregen investierte die Compagnie d'Occident einen sehr kleinen Teil in weitere Handelsrechte und in die Erschließung Louisianas. Das meiste Geld floss in den Kauf weiterer Staatsanleihen. Das war insofern sehr vernünftig, als es die Staatsschuldenprobleme löste und in Louisiana keinerlei Gold gefunden wurde. Das Einzige, was der Boden hergab, war schwarzer stinkender Schlamm, den man erst 150 Jahre später – nun Erdöl genannt – gebrauchen konnte. Im Februar 1720 übernahm die Compagnie d'Occident dann die staatliche „Zentralbank“ Banque Royale. Nun gehörten also die Staatsschulden überwiegend der regierungseigenen „Zentralbank“ (wie heute in Japan, USA, Eurozone), und die Anleger besaßen stattdessen substanzlose Aktien der Compagnie d'Occident. Ganz Frankreich und auch viele vermögende Ausländer spekulierten in dem Papier und man erfand das Wort Millionär. Wie die obige Grafik zeigt, fingen die Probleme an, als der Aktienkurs nicht mehr weiter stieg. Erste enttäuschte Siedler waren aus Louisiana zurückgekehrt und berichteten von lauter Schwierigkeiten, aber nicht von Gold. Die Anleger begannen zu verkaufen. Um den Kursverfall zu stoppen, gab John Law massenhaft neue Banknoten aus und kaufte Aktien zurück. Der Kurs konnte damit für einige Monate stabilisiert werden, aber nun wollten immer mehr Anleger aussteigen. Das Sparkapital der Franzosen, das ursprünglich in Staatsanleihen angelegt war, hatte sich zunächst in Compagnie-d'Occident-Aktien, die nie eine nennenswerte Substanz hatten, sondern nur zeitweilige Kursgewinne erzielten, und dann in Banknoten ohne Deckung verwandelt. Die Geldmenge war also explodiert und man wollte plötzlich die Verkaufserlöse aus den Aktien wertbeständig anlegen. Also stiegen die Preise vieler Sachwerte stark an, z.B. Immobilienpreise um das Vierfache. Auch die Konsumgüterpreise vervielfachten sich (Brennmaterial um das zweifache, Kerzen und Kaffee um ungefähr das 30-fache). Um wenigstens die Flucht des Sparkapitals in Edelmetalle zu erschweren, wurde deren Besitz und sogar das Tragen von Schmuck verboten. Der Zusammenbruch der Compagnie-d'Occident-Aktien konnte dadurch aber nicht mehr verhindert werden.

Die nachfolgende Grafik aus einer Studie über 57 Hyperinflationen der letzten 150 Jahre zeigt, dass diese plötzliche Flucht in Sachwerte und Konsumgüter bei allen Inflationen der eigentliche Auslöser war, nachdem jahrelange Geldmengenerhöhungen die Preissteigerungsraten nur moderat angetrieben hatte.

Nach drei (sechs) Jahren mit 41% (19%) jährlichem Geldmengenwachstum stiegen die Preise in Polen (Ungarn) in den 20er Jahren um 33% (14%) p.a., dann explodierte im nächsten Jahr die Inflation auf 636% (85%)

Nun vergleichen wir diese 300 Jahre alte Geschichte mit der aktuellen Situation

Die beiden Weltkriege hatten die meisten Staaten Europas, Japan und auch die USA in kaum lösbare finanzielle Schwierigkeiten gebracht, gut vergleichbar mit dem Frankreich des frühen 18. Jahrhunderts. Alle Länder hatten Papiergeld einführen müssen, um den Staatsbankrott zu verhindern. Man übernahm nach 1945 überall die erste Idee John Laws und koppelte die Währungen an den Kurs des US-Dollars, der noch eine gewisse Golddeckung besaß; 35 $ konnten jederzeit in eine Unze Gold umgetauscht werden. Außerdem galten die Banknoten, die die jeweiligen Zentralbanken ausgaben, als gesetzliche Zahlungsmittel. Genau wie damals in Frankreich bemerkten die Sparer nicht, dass insbesondere die Amerikaner ab den 60er Jahren vor allem wegen des Vietnam-Krieges wesentlich mehr Banknoten ausgaben, als Edelmetalldeckung vorhanden war. Die Franzosen versuchten als erste, US-Dollars in Goldbarren zu tauschen. Danach stoppte der damalige US-Präsident Nixon die Auslieferung von Gold. 1973 gab man dann weltweit die Golddeckung auf. Die Fiktion der Wertstabilität der Papiergeldwährungen konnte jedoch noch jahrelang aufrechterhalten werden, da die Wirtschaft aufgrund von einer wachsenden Zahl von Arbeitskräften und hoher Produktivitätssteigerungen hohe Steuereinnahmen ermöglichte und die Staatsausgaben für soziale Zwecke, insbesondere Rentenzahlungen, noch relativ niedrig waren. Die Staatsschulden waren bis 1980 relativ zum jeweiligen Volkseinkommen stark gesunken, z.B. in den USA von 120% auf unter 35% des Volkseinkommens.

Auch die zweite Idee John Laws, Geld zum Ankauf von Staatsanleihen zu drucken, wurde geschickt indirekt umgesetzt, indem die Zentralbanken (bis 2008) nicht die Staatsanleihen der eigenen Regierung, wohl aber die anderer Regierungen aufkauften. Wenn die Währung eines Landes zu stark fiel, sahen die anderen Länder ihre Exportindustrie gefährdet und deren Zentralbanken stabilisierten die Schwachwährung mit Devisenkäufen durch frisch gedrucktes Geld. So entstanden die hohen Devisenreserven der Bundesbank, der Japaner, später der Chinesen, die in Staatsanleihen der gestützten Währungen angelegt wurden und damit deren Kurse stabilisierten. Anleihen der eigenen Regierung kauften die Zentralbanken in großem Umfang erst ab 2008, als durch die Finanzkrise die finanzielle Stabilität bereits stark angeschlagen war, und dann in noch größerem Stil 2020 wegen der Corona-Krise. Die sogenannte Modern Monetary Theory, die von Teilen der Demokraten der US-Wahlsiegers Joe Biden unterstützt wird, fordert die direkte Finanzierung der Staatsausgaben durch die Zentralbank. John Law hatte dies mit seiner Banque Royale bereits vor 300 Jahren gemacht. Genau genommen machen es alle großen Zentralbanken seit der Coronakrise ebenfalls.

Die dritte Idee des genialen Schotten (das ist nicht ironisch gemeint!) wurde ebenfalls in verfeinerter Form umgesetzt. Die Staaten gründeten anders als damals nicht selbst Firmen, in deren Aktien die Anleger eifrig spekulieren sollten, anstatt über die Werthaltigkeit der großen Mengen frischen Geldes nachzudenken. Sondern man lenkte die Gelder von Privatanlegern (Ostimmobilien-Boom 1991 bis 1994, Technologieaktien-Boom bis 2000), Unternehmen (Japan-Boom bis 1989) und Banken, Versicherungen und Pensionskassen (Subprime-Boom bis 2006) mit massiven Anreizen in spekulative Investitionen. Dadurch konnten die im Vergleich zu heute kleinen Probleme ohne Beanspruchung der Staatsfinanzen geregelt werden, allerdings nicht ohne erhebliche Verluste für Anleger, die dem Staat auf den Leim gegangen waren. Am wirkungsvollsten war jedoch eine direkt mit den Staatsanleihekäufen der Compagnie d'Occident, die die hohen Aktienkurse für Kapitalerhöhungen nutzte und mit dem Erlös weitere Staatsanleihen aufkaufte, vergleichbare gesetzliche Regelung. Staatsanleihen – selbst solche aus Griechenland oder Italien – erklärte man per Gesetz als völlig ausfallsicher. Seitdem dürfen Banken und Versicherungen solche Anleihen unbegrenzt kaufen und mit gewaltigen Mengen von Spar- und sonstigen Bankguthaben von Anlegern finanzieren. Sie tun dies auch, weil sie sich darauf verlassen können, dass die Zentralbanken ihnen ihre Staatsanleihen abkaufen werden, wenn sie Geld benötigen. Nur dadurch sind Staatsanleihen tatsächlich sicher. Durch diese Käufe stiegen die Anleihekurse so unglaublich hoch, dass die Renditen unter Null fielen – schon vor Beginn der Corona-Krise. Die Regierungen konnten 2020 erneut gigantische Schulden machen, und die Zinsen sanken sogar noch tiefer (in den USA von 1,9% zu Jahresbeginn 2020 auf aktuell 0,9%, in Deutschland von -0,2% auf -0,6%), weil die Zentralbanken kauften und die Anleger coronabedingt ihre Spareinlagen bei den Banken weiter erhöhten, so dass diese ebenfalls weitere Anleihen kaufen konnten.  Ähnlich wirkten damals die steigenden Aktienkurse der eigentlich substanzlosen Compagnie d'Occident, die über Kapitalerhöhungen zu steigenden Kursen noch mehr Staatsanleihen kaufte und eben nicht in die Erschließung Louisianas investierte. Als die Deutsche Bank in der Finanzkrise 2008 Vermögenswerte von 2.000 Mrd. € (bei nur 40 Mrd. € Eigenkapital) angehäuft hatte, waren 4% der Vermögenswerte Kredite an Unternehmen – der eigentliche Zweck des Bankgeschäftes, 96% dienten der Spekulation, u.a. mit Staatsanleihen. Die Bilanz der Compagnie d'Occident dürfte ähnlich ausgesehen haben.

Diese erstaunlichen Parallelen zeigen, wie wenig innovativ sowohl die Politik als auch das Finanzwesen seither waren. Ein Zeitgenosse John Laws, der Schmied und Bergwerksbesitzer Thomas Newcomen, entwickelte vor über 300 Jahren eine äußerst primitive erste Form der Dampfmaschine – sie verbrauchte 75% der Steinkohle, die in englischen Bergwerken seit 1712 durch ihre Pumpleistung bei Wassereinbruch zusätzlich gefördert werden konnte. Mit ihrem Zylinder, der aus dem mit der Kohle erzeugten Wasserdampf eine sehr nützliche starke Pumpe machte, war sie jedoch zu dieser Zeit ähnlich wie John Laws Finanzsystem absolut innovativ und revolutionär. Die Ingenieure machten daraus bis heute nicht nur hocheffiziente Verbrennungsmotoren für Autos, Lastwagen und Stromgeneratoren. Auch Elektromotoren, Dampf-, Diesel- und Elektrolokomotiven, Flugzeuge und unendlich vieles mehr wurde seither auf dieser Grundlage entwickelt. Die einzige Innovation der heutigen Finanzpolitiker bestand im Vergleich zu John Law darin, dass man nach der Aufhebung der Golddeckung der Währung 1973 mit frisch gedrucktem Geld nicht die Anleihen der eigenen, sondern anderer Regierungen aufkaufte (siehe oben), bis man 2008 auch dieses Feigenblatt fallen ließ.

Da offensichtlich Politiker und Banker seit drei Jahrhunderten immer die gleichen Tricks anwenden und Kapitalanleger darauf hereinfallen, darf man getrost den eingangs erwähnten Schluss ziehen, dass auch diesmal auf die Phase des massiven Ankaufs von Staatsanleihen als nächstes ein Sachwerteboom einsetzen wird (der im Technologiesektor bereits begonnen hat, siehe die untenstehende Grafik) und dann eine verstärkte Inflation der Konsumgüterpreise.

Wir sehen hier die jeweils beste Anlageform der letzten fünf Jahrzehnte seit Anfang der 70er Jahre, als die Golddeckung der Währungen endgültig aufgehoben wurde. Die jeweils gleichfarbigen Vierecke zeigen, wo der Kursverfall nach dem Ende des Booms endete; jedes Mal war das ehemalige Top-Investment jahrelang besonders schwach. Das Jahrzehnt seit 2010 hat gleich zwei nur scheinbar unterschiedliche Sieger hervorgebracht: die großen Technologieaktien aus den USA, aber auch aus China (Tencent, Alibaba), daneben viele kleinere, auch europäische Aktien und den Bitcoin. Beide wurden aus Bewunderung für neuartige komplexe Technologie nach oben gespült. Beim Bitcoin kommt noch der Reiz der Exotik und Seltenheit hinzu, vergleichbar nur mit der berühmten Tulpenmanie in Holland bis zum Februar 1637. Tulpen waren damals zunächst einfach nur seltene, bunte Blumen. Aus irgendeinem Grund begannen die Preise zu steigen, und bald spekulierte ganz Holland mit den Zwiebeln, die auf dem Höhepunkt pro Stück so viel wert waren wie ein Amsterdamer Kaufmannshaus. Der Bitcoin (aktueller Kurs 18.000 $) ist heute auch nicht mehr wert als eine Tulpenzwiebel (wohlgemerkt nach 1637), er ist wie die Tulpe beliebig vermehrbar und es hat sich wie damals rund um die Tulpe eine umfangreiche Service- und Werbeindustrie etabliert. Hier werden die Bitcoin-Fans einwenden, dass es technologisch bedingt maximal 21 Mio. Bitcoins geben könne und er daher eben nicht unbegrenzt vermehrbar sei. Leider wurden aber seit seiner Erfindung tausende weitere sogenannte Kryptowährungen kreiert; von Knappheit kann nicht die Rede sein. Außerdem planen nun die Zentralbanken die Einführung solcher Währungen und werden dem Bitcoin, der sich eigentlich nur für kriminelle Zwecke wie Geldwäsche, Kapitalflucht oder Steuerhinterziehung gut eignet, legale und wertstabile Konkurrenz machen. Politiker werden sich die Möglichkeiten zur Lösung von Finanzproblemen mit Papiergeld nicht von privat hergestelltem Geld wie Bitcoin aus der Hand schlagen lassen. So wie die Tulpe heute für die holländische Wirtschaft ein begehrtes Exportgut ist, wird auch die Blockchain-Technologie, die technische Basis des Bitcoins, zunehmend für sinnvolle Zwecke eingesetzt und daher mit Sicherheit überleben – dem Bitcoin, der gewaltige Mengen Energie verbraucht, wird dies nur schwerlich gelingen.

Abschließend bleibt angesichts wachsender praktischer Relevanz noch zu klären, was passieren könnte, wenn die Staatsanleihen nicht nur von einer Zentralbank aufgekauft, sondern auch gestrichen werden. Genau dies wird zunehmend etwa in Italien von der EZB gefordert und in der nächsten Krise wahrscheinlich sogar durchgeführt. Die Zentralbanken der Schweiz und Großbritanniens haben bereits nach der Finanzkrise die Schuldenstreichung für machbar erklärt, da eine Zentralbank niemals pleite gehen kann. Der dazu passende Vergleich in der Geschichte ist diesmal ein gewonnener Krieg, nämlich der deutsch-französische Krieg von 1870 bis 1871. Die siegreichen deutschen Staaten unter Führung Preußens erhielten vom Verlierer eine üppige Entschädigung in Höhe von 5 Mrd. Goldfrancs. Die braven Deutschen hatten die vermeintlich gute Idee, damit sämtliche Staatsschulden sofort zurückzuzahlen. Plötzlich gab es die schon damals vom fleißigen deutschen Sparer heißgeliebte Staatsanleihe nicht mehr, sondern hohe Kontoguthaben. Den folgenden Anlagenotstand nutzten findige Finanzprofis gnadenlos aus; es gab eine gewaltige Masse von häufig betrügerischen Aktienemissionen – heute würde man sagen: Start-ups und IPO's, wie die nächste Grafik zeigt:

Nach dem Sieg wurden für die euphorischen Anleger zahlreiche neue Aktiengesellschaften, davon viele betrügerische, gegründet. Nach dem Kurseinbruch ab Herbst 1873 folgte eine lange Flaute am Aktienmarkt und in der Wirtschaft. Der Staat half damals nicht.

Auch wenn nicht die Zentralbank, sondern wie in diesem Fall die Regierung selbst ihre Staatsanleihen mit edelmetallgedecktem Geld zurückkauft und damit streicht, ergibt sich der beschriebene Sachwerteboom; die Aktienkurse stiegen im neuen deutschen Kaiserreich um über 60% in zwei Jahren, um dann allerdings um über 50% einzubrechen.

Eine (kleine) Auswahl weiterer Beispiele für Gelddrucken, Sachwerteboom und Inflation sind die ersten Jahre nach der französischen Revolution 1789 oder die Hyperinflation der Weimarer Republik 1923.

Im Kapitalmarktausblick vom Juni 2020 hatten wir dargelegt, dass zur Zeit viele Voraussetzungen für das Entstehen höherer Inflationsraten gegeben sind:

  • Hohe Verschuldung durch Misswirtschaft
  • Technische Fähigkeit, beliebig viel Geld herzustellen, künftig vielleicht sogar durch Kryptowährungen der Zentralbanken
  • Faktische Abhängigkeit der Zentralbanken von ihren Regierungen
  • Verstärkte Regulierung der Wirtschaft
  • Demografisch bedingter weltweiter Rückgang des Anteils der Arbeitskräfte an der Gesamtbevölkerung
  • Populismus (dieser Faktor hat sich seither durch den Abgang von Trump und durch selbstverschuldete Probleme von Erdogan und Boris Johnson abgeschwächt)

Nun haben wir gezeigt, dass schon vor 300 Jahren eine finanziell bedrängte Regierung die Möglichkeit, Papiergeld zu schaffen und damit letztlich ihre Schulden in einer Papiergeldflut teilweise verschwinden zu lassen, genutzt hat. Dies wurde seither immer wieder erfolgreich (für den Staat, nicht für die Sparer) durchgeführt. Dabei erkennt man zahlreiche Parallelen zur heutigen Vorgehensweise der Politiker.

Wir gehen also weiterhin davon aus, dass in einigen Jahren die Inflationsraten und auch die Sachwertpreise erneut steigen werden.

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