Kapitalmarktausblick 02/2022

Demographie, Produktivität, Schulden und künftiges Wirtschaftswachstum

24.2.2022

Die Zentralbanken werden es nicht schaffen, die Inflation dauerhaft bei zwei Prozent zu halten. Dafür sprechen zwei offensichtliche Trends. Für Anlagen wie Aktien ist das ein gutes Zeichen.

Unsere Kernthese für die nächste Dekade lautet seit 2020, dass die Inflation nicht mehr auf die seit Mitte der 90er Jahre angenehm niedrigen Werte von durchschnittlich 1,5% p.a. absinken wird. Die wesentlichen Ursachen dafür sind:

1. Das künftig schwache Bevölkerungswachstum, das allmählich in einen Rückgang übergeht (Demographie)

2. Das künftig niedrige Produktivitätswachstum, das zusammen mit der Demographie Ursache für Punkt 3 ist:

3. Das – anders als nach 1945 – künftig schwache Wirtschaftswachstum (= Bevölkerungswachstum bzw. Wachstum des Arbeitskräftepotenzials + Produktivitätswachstum). Damals wuchs die Wirtschaft und damit die Steuereinnahmen so stark, dass die kaum noch wachsenden Staatsschulden im Verhältnis zum Volkseinkommen stark rückläufig waren. Daher konnte die Inflation der 70er Jahre durch hohe Zinsen bekämpft werden. Die jetzt extrem hohe Verschuldung der meisten Staaten nimmt den Zentralbanken die Möglichkeit, die Inflation angemessen durch für Sparer attraktive, über der Inflationsrate liegende Zinsen zu bekämpfen (siehe folgende Abbildung 1 mit dem auch für andere Industrieländer gültigen Beispiel USA).

Details insbesondere zu Punkt 3 sowie zu weiteren Inflationsursachen sind im Kapitalmarktausblick vom Januar 2022 beschrieben, den Sie hier finden. Diesmal untersuchen wir die künftige Entwicklung der Punkte 1 (Demographie) und 2 (Produktivität), die beiden Bestandteile des realen Wirtschaftswachstums. Wir möchten herausfinden, ob ein Rückgang der Staatsschulden in % des Volkseinkommens wie zwischen 1945 und 1970 (siehe oben) möglich ist, als zwar keine Schulden abgebaut wurden, aber die Wirtschaft kräftig wuchs. In der folgenden Abbildung 2 sehen Sie am Beispiel der USA, dass das Wirtschaftswachstum aus dem realen, also inflationsbereinigten Pro-Kopf-Wachstum (entspricht dem Produktivitätswachstum) und dem Bevölkerungswachstum besteht. Die grüne Linie – das Wachstum der Bevölkerung – muss zum Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens addiert werden. Das Ergebnis ist dann das reale Wirtschaftswachstum.

Aus Abbildung 2 können wir ablesen, dass das reale Pro-Kopf-Einkommen in den USA bis zur Weltwirtschaftskrise 1929 und seit dem zweiten Weltkrieg bis 2005 jahrzehntelang mit ungefähr 2% p.a. gewachsen war. Seitdem sank das Durchschnittswachstum auf 1% p.a.. Das Bevölkerungswachstum verringerte sich vom späten 19. Jahrhundert bis zum zweiten Weltkrieg allmählich von 2,5% auf 1% p.a., stieg dann bis 1960 wieder auf knapp 2% p.a. („Babyboom“) und beträgt inzwischen nur noch 0,8% p.a.. Entsprechend reduzierte sich das reale Wachstum der US-Wirtschaft in den letzten 50 Jahren von über 4% im Durchschnitt des Zeitraums von 1950  bis 1970 auf unter 2% von 2000 bis 2020 und zwar durch abnehmendes Wachstum der Produktivität und der Bevölkerung.

Die folgende Abbildung 3 zeigt am Beispiel Deutschlands in den letzten 30 Jahren, dass das reale Wirtschaftswachstum, trotz einer seit 2005 stark steigenden Zahl von Arbeitskräften, wie in den USA seit Jahrzehnten allmählich sinkt.

Das durchschnittliche reale Wirtschaftswachstum betrug seitdem 1% p.a., die Zahl der Arbeitskräfte wuchs aber mit 0,8% p.a. kaum weniger, die einzelne Arbeitskraft wurde demzufolge nur noch um 0,2% p.a. produktiver. Mit anderen Worten: Ohne den ungewöhnlichen und nicht nachhaltigen Anstieg der Zahl der Arbeitskräfte wäre die Wirtschaft in den letzten 15 Jahren nur noch um 0,2% p.a. gewachsen.

Ein Blick auf die Daten zur Bevölkerungsentwicklung zeigt jedoch, dass künftig in Deutschland nicht nur kein weiteres Wachstum der Zahl der Arbeitskräfte zu erwarten ist, sondern ein langjähriger Rückgang. Schon seit 1970 sinken die durchschnittlichen Bevölkerungswachstumsraten, wobei seit 20 Jahren nur in Großbritannien und Italien eine leichte Gegenbewegung erkennbar ist (Abbildung 4a). Dies dürfte jedoch auf Migration zurückzuführen sein, denn die Fertilitätsrate, also die Zahl der Kinder pro Frau, war seit den 60er Jahren überall stark rückläufig („Pillenknick“) und erreicht seit knapp 30 Jahren in keinem großen Industrieland mehr den für eine stabile Bevölkerungszahl erforderlichen Mindestwert von 2,1 (Abbildung 4b).

Diese Zahlen bedeuten, dass es in der nächsten Generation, also in 30 Jahren, in Frankreich 14%, in Deutschland 27% und in Japan, Italien oder China sogar 36% bis 40% weniger junge Menschen geben wird (siehe Abbildung 5a). Damit wird durch die demographische Entwicklung das künftige reale Wirtschaftswachstum in Frankreich jährlich um 0,5 %-Punkte, in Deutschland um 1,05 %-Punkte und in Japan, Italien und China um 1,5 bis 1,7 %-Punkte abgesenkt (siehe Abbildung 5b).

Ohne Migration – für Deutschland werden politisch kaum realistische 400.000 Einwanderer pro Jahr genannt – wird das Arbeitskräftepotenzial demzufolge überall schrumpfen und damit angesichts des insgesamt schwachen Produktivitätswachstums auch die gesamte Wirtschaftsleistung. Deutschland hätte langfristig ein jährliches reales Wirtschaftswachstum von -0,85% p.a. (= 0,2% - 1,05%) zu erwarten.

Durch die Alterung der Bevölkerung entsteht noch ein weiteres Problem. Die Abbildung 6a zeigt, welchen Einfluss die Demographie in den Jahren 1970 bis 2010 (blaue Balken) hatte, als durch den Eintritt der Babyboomer ins Berufsleben, vermehrte Berufstätigkeit von Frauen und die Öffnung Chinas und des ehemaligen Ostblocks die jährliche Inflation in 22 Ländern um durchschnittlich 2,9%-Punkte p.a. gesenkt wurde, weil die wachsende Zahl von Arbeitskräften weltweit geringere Lohnsteigerungen zur Folge hatte. Die orangen Balken zeigen die bis 2050 zu erwartenden Anstiege der jährlichen Inflationsraten (Durchschnittswert bis 2050: +3,4% p.a.), weil nun überall die Anzahl der Arbeitskräfte zu sinken beginnt und dadurch höhere Lohnsteigerungen zu erwarten sind.

Außerdem steigt die Anzahl der älteren Menschen. Deren Ausgaben für Gesundheitsleistungen sind besonders hoch, ohne durch ein entsprechendes Einkommen gedeckt zu sein (Beispiel USA: Einnahmen und Ausgaben von US-Amerikanern in Abhängigkeit vom Alter, Abbildung 6b).

Die Differenz wird insbesondere in den Demokratien von den Staaten gedeckt werden müssen, deren Schulden dadurch weiter ansteigen. Von der häufig erwarteten Deflation wegen der Alterung der Bevölkerung kann also keine Rede sein. Diese Analyse stammt immerhin von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, der Bank der Zentralbanken – eine über jeden Zweifel erhabene Adresse – sowie aus Statistiken der UNO und den USA.

Damit stellt sich die Frage, ob die Produktivität, also die Leistung pro Arbeitskraft, durch stetiges Wachstum einen Ausgleich für das schrumpfende Arbeitskräftepotenzial bieten kann. Zunächst betrachten wir dazu die Vergangenheit. Nach einem stabil positiven Wachstum vor dem 1. Weltkrieg und mehreren Einbrüchen wegen der beiden Weltkriege und der Weltwirtschaftskrise war das Produktivitätswachstum nach dem 2. Weltkrieg bis ungefähr 1970 sehr hoch (siehe Abbildung 7a).

Dort zeigen wir nicht die Produktivität pro Arbeitskraft, sondern pro Kopf der Bevölkerung, weil beispielsweise eine steigende Produktivität pro Arbeitskraft durch sinkende Arbeitszeiten oder einen steigenden Anteil nicht arbeitender Menschen zunichte gemacht werden kann. Relevant ist die Produktivität der gesamten Bevölkerung, denn diese muss den Staat und auch dessen Schulden finanzieren. Neben dem Wiederaufbau von Teilen Europas und Japans, der in diesen Ländern einen anhaltenden Boom bewirkte, waren die Verbreitung neuer Industrien wie Automobilbau (außerhalb der USA, wo der Autoboom schon 30 Jahre früher begonnen hatte) und Petrochemie sowie die steigende Zahl von Akademikern für den Produktivitätsanstieg bis etwa 1970 verantwortlich.

Danach konnte auch der wachsende Einsatz von Computern den allmählichen Rückgang des Produktivitätswachstums nicht verhindern, sodass der amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert Solow 1987 feststellen musste: „You can see the computer age everywhere but in the productivity statistics“ („Man kann das Computer-Zeitalter überall sehen, nur nicht in den Produktivitätsstatistiken“). Das Internet wurde erst einige Jahre später erfunden, hat aber das Produktivitätsproblem ebenfalls nicht gelöst; möglicherweise sind viele moderne Technologien keine produktivitätstreibenden Basisinnovationen (Computerspiele, Krypto-„Währungen“, Flugtaxis im Gegensatz zu Telefon oder Auto). Die Addition von sinkendem Bevölkerungswachstum und Produktivitätswachstum ergibt damit seit über 50 Jahren ein sinkendes reales Wirtschaftswachstum, seit einigen Jahren auch in China (siehe Abbildung 7b).              

Zusätzlich zum wachsenden Anteil von Menschen im Rentenalter (und möglicherweise zur sinkenden Zahl von Basisinnovationen, ein Thema, das wir demnächst bearbeiten werden) sind für das schwache Produktivitätswachstum folgende Faktoren verantwortlich:

  • Bildung
  • Sozialstaat
  • Regulierung
  • Monopolbildung

Kapitalverschwendung ist immer die Ursache, wenn über einen langen Zeitraum die Schulden schneller steigen als das Einkommen, aus dem sie verzinst und getilgt werden müssen. Das kann ein Doppelverdiener-Privathaushalt sein, der die Penthaus-Wohnung mietet, die beiden SUVs least und die Urlaube und Wochenendtrips mit Krediten finanziert. Wenn etwas schiefgeht (Krankheit, Scheidung, …) oder das Einkommenswachstum nicht ausreicht, droht irgendwann die Privatinsolvenz. Bei Unternehmen wird der Niedergang durch Fehlinvestitionen, hohe Kosten, eine Wirtschaftskrise oder innovative Konkurrenten (Apple / Nokia) ausgelöst. Weil die Schulden der schlecht wirtschaftenden Unternehmen und Privathaushalte durch die Pleiten ausgelöscht werden, bleibt das Wachstum der Schulden moderat (siehe Abbildung 8a). Die Schulden von Haushalten und Unternehmen können langfristig nur dann etwas schneller steigen als das Volkseinkommen, wenn die Kreditkosten (= Zinsen) nachhaltig niedrig sind, wie in den letzten beiden Dekaden (siehe Abbildung 8b).

Ganz anders ist es jedoch beim Staat, der seine Verschuldung beliebig ausdehnen kann (siehe Abbildung 8c), weil die letztlich staatliche Zentralbank als Kreditgeber immer einspringt, wenn es nötig ist (siehe Abbildung 1). Früher waren extrem hohe Staatschulden nur nach großen Kriegen üblich. Der moderne Sozialstaat brachte seit 1980 erstmals in der Geschichte weltweite Staatsschuldenrekorde in Friedenszeiten). Ein besonders übles Beispiel für staatliche Kapitalverschwendung war in Deutschland die Einführung der Facharbeiterrente. Sie ist nicht nur unsozial, weil gesundheitlich gefährdete Arbeitskräfte (Bauarbeiter) die dafür notwendigen 45 Beitragsjahre nur selten erreichen können, sondern sie schädigt den Staat und die Wirtschaft finanziell doppelt. Der Wirtschaft fehlen dringend benötigte erfahrene Fachkräfte und der Staat muss auf deren Steuern und Sozialabgaben verzichten und höhere Renten zahlen.

Im Unternehmenssektor gibt es aufgrund der tiefen Zinsen, die eine Folge der staatlichen Kapitalverschwendung sind (siehe Abbildung 1) bereits jetzt das Phänomen der Zombie-Firmen, die kein Geld verdienen, nur einen schwachen finanziellen Spielraum für die Bedienung von Krediten haben und daher netto nichts investieren können. Aus Studien der EZB geht hervor, dass deren Anteil von 12% im Jahr 2006 auf 18% im Jahr 2019 wuchs und ihre Produktivität unterdurchschnittlich ist, eine logische Folge der fehlenden Investitionen. Diese Firmen können sich nur aufgrund der niedrigen Zinsen über Wasser halten; sie binden aber Arbeitskräfte und Kapital, das in produktiveren Firmen besser aufgehoben wäre (Quelle: „Jetzt gibt es laut EZB doch Zombies“ in: beyond the obvious, 15. Juni 2021).

Alle bisherigen großen Kapitalverschwendungen von Unternehmen und privaten Haushalten waren in den letzten 40 Jahren die Folge staatlich gewünschter Investitionen, die durch Steuervorteile oder andere staatliche Regulierungen den Anlegern schmackhaft gemacht wurden. Das verlustreichste Ereignis in Deutschland war die massive Förderung von Immobilienkäufen in den fünf neuen Bundesländern ab 1990. Käufer durften damals 50% der Investition sofort steuerlich absetzen, was für Besserverdiener beim damaligen Spitzensteuersatz von 56% unwiderstehlich war. Die Objekte konnten aufgrund der hohen Nachfrage sehr teuer, oft zu Mietrenditen von unter 3%, angeboten werden, was bei den damaligen Hypothekenzinssätzen von über 9% so hohe Verluste bei zahlreichen Anlegern auslöste, dass Deutschland bis 2006 der „kranke Mann“ Europas war. Weitere verlustträchtige Beispiele in Deutschland waren Filmfonds oder Schiffsfonds zur Förderung der jeweiligen Branchen. In den USA war die Lockerung der Vergabebedingungen für Wohnimmobilienkredite die Ursache der „Subprime“-Krise, der nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 die weltweite Finanzkrise folgte.

Ein wichtiger Produktivitätstreiber war von 1900 bis etwa 1970 die Bildung. In diesem Zeitraum stieg in den USA – beispielhaft für andere Industrieländer – der Anteil der High-School-Absolventen unter allen gleichaltrigen Schülern von 6% auf 70% (siehe Abbildung 9). In den 50 Jahren danach gab es noch einen Anstieg auf 86%, aber der Zuwachs ist eben nur noch gering und wird bald ganz beendet sein.

Ein hoher Anteil von Arbeitskräften mit guter Bildung im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich dürfte beim massenhaften Einsatz von Robotern zur Steigerung der Produktivität in der Industrie (siehe Abbildung 10a) wie auch bei der Digitalisierung in anderen Bereichen hilfreich sein.

Außerdem haben die Unternehmen die Bedeutung des Robotereinsatzes für den Umgang mit der absehbaren Schrumpfung des Arbeitskräfteangebots erkannt (Abbildung 10b). Es gibt nämlich einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Geburten pro Frau und dem Robotereinsatz, den man zu 63% mit der Geburtenrate erklären kann, der z.B. in den beiden Ländern mit besonders niedriger Geburtenrate (Südkorea und Singapur) extrem hoch und im demographisch noch recht stabilen Frankreich niedrig ist. Die erfolgreichen Bemühungen etlicher asiatischer Staaten um eine hohe mathematische Leistungsfähigkeit des Nachwuchses finden leider hierzulande keine Nachahmung, obwohl sie ein erfolgversprechender Ansatz zur Abschwächung der Folgen schwacher Demographie und Produktivität wären.

Eine weitere Ursache der Produktivitätsschwäche ist der Sozialstaat. Auf den ersten Blick kann er die Ungleichheit der Einkommensverteilung tatsächlich deutlich reduzieren (siehe Abbildung 11a); der Gini-Koeffizient sinkt durch Umverteilung in Deutschland von überdurchschnittlichen 0,52 auf recht niedrige 0,3 (ein Wert von 1 bedeutet, ein Einwohner verdient das gesamte Einkommen, die anderen verdienen nichts, 0 bedeutet: alle haben das gleiche Einkommen). Dazu wird jedoch ein ziemlich hoher Aufwand betrieben. Fast 30% des Volkseinkommens verschlingt der Sozialstaat und er ist nur auf der Einkommensseite erfolgreich, jedoch nicht auf der Vermögensseite, wo der Gini-Koeffizient in Deutschland mit 0,82 sehr hoch ist (siehe Abbildung 11b).

Dies liegt weniger daran, dass es in Deutschland besonders viele Superreiche gibt – in dieser Hinsicht unterscheiden wir uns nicht von anderen europäischen Ländern –, sondern dass die ärmsten 40% der Deutschen bezogen auf das Nettovermögen weit unter dem Durchschnitt der Eurozone liegen und damit praktisch vermögenslos sind (siehe Abbildungen 12a-b).

Der Grund dafür ist neben der geringen Verbreitung von Immobilienbesitz und den unrentablen kapitalgedeckten Altersvorsorgeprodukten (Riester-Rente, Lebensversicherungen) die extrem hohe Grenzbelastung niedriger Einkommen mit Steuern und Sozialabgaben sowie der Wegfall von Sozialleistungen, wenn bestimmte Einkommensgrenzen überschritten werden (siehe Abbildung 13).

Bei einer alleinerziehenden Person mit einem Kind beträgt diese Grenzbelastung bei einem Jahreseinkommen von 10.000 € 80% und steigt (!) dann bei einem Einkommen von 20.000 € auf 100%, um dann ab 30.000 € zwischen 46% und 52% zu liegen und ab 80.000 € auf 44% zu sinken. Erst dann liegt die Grenzbelastung leicht unter derjenigen eines Großverdieners mit 10 Mio. € Jahreseinkommen der von einer Gehaltserhöhung 48% abgeben muss.

Nirgendwo auf der Welt haben Spitzenverdiener eine derart hohe Grenzbelastung wie deutsche Geringverdiener, was deren Vermögenslosigkeit gut erklärt.

Bei 80 - 100% Grenzbelastung ist der Anreiz zur Arbeitsaufnahme extrem niedrig, so dass der Anteil der Arbeitskräfte an der Gesamtbevölkerung durch den falsch konstruierten Sozialstaat künstlich niedrig gehalten wird, was produktivitätssenkend wirkt. Eine grundlegende Reform dieses seltsamen „Sozial“-Systems steht jedoch ebenso wenig auf der politischen Agenda wie eine Bildungsreform.

Ein herausragender Produktivitätskiller ist eine übertriebene staatliche Regulierung der Wirtschaft. Nach dem 2. Weltkrieg herrschte im zerstörten Deutschland allgemeiner Mangel. Daher gab es zahllose Gesetze, die die Verteilung und die Preise der wenigen Güter, die produziert wurden, detailliert festlegten. Die schlagartige Beseitigung dieser Regulierung im Jahr 1948 löste in Deutschland das bekannte „Wirtschaftswunder“ aus. Initialzündung dafür war eine größere "Unartigkeit" von Ludwig Erhard. Er zeichnete bereits für die Wirtschaftspolitik in den westlichen Besatzungszonen verantwortlich, als er im Juni 1948 – einen Tag vor der Währungsreform – über Rundfunk verkündete, dass Zwangsbewirtschaftung und Preisbindung aufgehoben seien. Sein Vorstoß war mit den Amerikanern nicht abgestimmt. General Lucius D. Clay warf Erhard vor, er habe eigenmächtig Vorschriften der Alliierten verändert. Erhards Antwort darauf fiel ebenso trocken wie kühn aus: "Ich habe sie nicht verändert, ich habe sie abgeschafft." (Quelle: Westdeutsche Zeitung 2009). Das war die erfolgreichste Deregulierung der deutschen Geschichte.

Den letzten Versuch einer nennenswerten Deregulierung in Deutschland unternahm der Heidelberger Professor Kirchhof, den die spätere Kanzlerin Merkel im Jahr 2005 zu ihrem Finanzminister machen wollte. Kirchhof wollte das extrem komplizierte deutsche Steuerrecht mit einem einheitlichen Einkommensteuersatz von 25%, einem Freibetrag von 28.000 € und dem Wegfall aller Steuersparmodelle drastisch vereinfachen. Diese intelligente und sinnvolle Reform war den Deutschen damals schon nicht mehr zuzumuten; die Idee verlief im Sande. Zur – richtigen und notwendigen – Bekämpfung der Erderwärmung wird erneut eine Vielzahl von Regulierungen für sinnvoll gehalten, ein im Vergleich zur Konzentration auf eine CO2-Steuer als einziger Regelung ineffizienter und inflationstreibender Weg (siehe Kapitalmarktausblick vom August 2021, den Sie hier finden).

Abschließend möchten wir noch den produktivitätssenkenden Faktor Monopolbildung an einem eindrucksvollen Beispiel aus dem Musterland des freien Kapitalismus, den USA, beschreiben. In den letzten Jahrzehnten hat das Volumen von Unternehmenszusammenschlüssen in den USA stark zugenommen (siehe Abbildung 14a). Damit gab es für die Unternehmen weniger Konkurrenz und die Preise konnten erhöht werden (Quelle: Michael Vita, F. David Osinski: John Kwoka´s Mergers, Merger Control, And Remedies: A Critical Review, 2018, S. 5). Besonders fatale Auswirkungen hatte diese Entwicklung für den amerikanischen Gesundheitssektor. Die Gesundheitskosten pro Kopf stiegen inflationsbereinigt auf den höchsten Wert weltweit, aber die Lebenserwartung liegt deutlich niedriger als in anderen Industrieländern, die mit wesentlich weniger Geld mehr Gesundheit und damit Lebenserwartung erreichen; das Kapital wird außerhalb der USA also produktiver eingesetzt (siehe Abbildung 14b).

Mit Ausnahme der Monopolbildung, wo es nur im Technologiesektor politische Bestrebungen zur Abschwächung der Monopolstellung einiger Firmen gibt (Facebook, Google, …), sind die anderen Produktivitätskiller Kapitalverschwendung, zu wenig Bildung im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, ausufernder Sozialstaat und übertriebene Regulierung politisch gewollt. Eine Wende ist nicht zu erkennen. Daher wird sich das Wirtschaftswachstum langfristig weiter abschwächen und ein Abbau der Staatsschulden, die demographisch bedingt steigen werden, im Verhältnis zum Volkseinkommen wird nicht möglich sein. Die Zentralbanken der USA und der Eurozone können die Zinsen also nicht stark genug heben, um die Inflation wirkungsvoll zu bekämpfen und auf dauerhaft 2% zu beschränken. Damit bleiben die Ertragserwartungen für Aktien, Beteiligungsfonds, Wohnimmobilien und Gold deutlich höher als diejenigen für festverzinsliche Anlagen.

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